Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Vielleicht war es kein Räuspern gewesen, sondern vielmehr ein – leises Fauchen? War das vielleicht wieder dieses…… schreckliche schwarze Biest?
Laura schauderte. Ein Schwall eiskaltes Wasser schien ihren Rücken hinunterzufließen. Sie erhob sich und trat mit angehaltenem Atem ans Fenster. Während sie den Arm ausstreckte, um es zu öffnen, galoppierte ihr Herz wie ein wild gewordener Mustang in ihrer Brust. Zentimeter um Zentimeter zog sie das Fenster auf, um dann erleichtert durchzuatmen: Das Sims war leer. Niemand kauerte darauf – weder eine schwarze Katze noch ein anderes unheimliches Wesen.
Erneut wandte Laura sich dem Mathebuch zu und überflog die erste Textaufgabe: »Ein Swimmingpool kann durch drei Zuflussröhren gefüllt werden. Die zweite Röhre braucht die dreifache Zeit der ersten, die dritte benötigt allein vier Stunden und alle drei zusammen zwei Stunden. Wie lange brauchen die erste und die zweite Röhre allein?«
Verflixt, wie war noch mal der Lösungsansatz? Laura griff nach ihrem Bleistift, steckte ihn in den Mund und kaute darauf herum, als erneut ein Räuspern zu hören war.
Laut und deutlich!
Wieder drehte Laura sich um, und da endlich begriff sie, wer das Geräusch gemacht hatte: ihre Mutter.
Anna Leander!
D ie junge Frau zügelte ihr Pferd. Der Reiter an ihrer Seite, der wie sie in ein schlichtes weißes Gewand gekleidet war, tat es ihr gleich und blickte sie fragend an. »Was habt Ihr, Niami? Wir sind noch längst nicht am Ziel. Es sind noch gut drei Tagesritte bis nach Hellunyat.«
»Ich weiß.« Die Frau ließ einen tiefen Seufzer hören. Sie war bildhübsch, und ihre Haut war hell wie edelstes Porzellan. »Weißt du, was ich mich frage, Auriel?«
»Ja, Herrin?«
»Ob es ein Fehler war, dass wir uns auf diese ungewohnte Fortbewegungsart eingelassen haben. Wir Wolkentänzer sind das Reiten doch gar nicht gewohnt.«
»Das ist richtig, Niami.« Der junge Mann, dessen Haut ebenfalls von makellosem Weiß war, lächelte. »Aber Euer Vater hat es so gewollt. Damit Ihr Euch rechtzeitig an die Gepflogenheiten der Bewohner der Gralsburg gewöhnt. Schließlich sollt Ihr Euch dort für längere Zeit aufhalten.« Dann fügte er mit ernstem Blick hinzu: »Wenn nicht sogar für immer!«
»Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen«, entgegnete Niami rasch. Das sanfte Rot, das ihre Wangen färbte, verriet allerdings, dass sie hoffte, er möge Recht haben.
Die beiden Reiter wollten ihren Pferden gerade die Sporen geben, als ihnen auf dem schmalen Waldweg eine Frau auf einem Einhorn entgegenkam. Sie trug ein schlichtes weißes Gewand, das ebenso in der Nachmittagssonne leuchtete wie das Fell ihres Reittieres.
Staunend warteten Niami und Auriel, bis die Reiterin vor ihnen anhielt. »Seid gegrüßt, Niami«, sagte sie freundlich lächelnd. »Elysion, mein Herr, hat mich gebeten, Euch entgegenzureiten.«
»Ihr kommt aus der Gralsburg?«
»Ja. Ich bin die Heilerin von Hellunyat. Der Hüter des Lichts hat mir aufgetragen, Euch sicher zu ihm zu geleiten.«
Niami tauschte einen erfreuten Blick mit ihrem Begleiter, bevor sie sich wieder an die Heilerin wandte. »Wie aufmerksam! Zumal Ihr einen langen und beschwerlichen Weg auf Euch genommen habt, um uns in Eure Obhut zu nehmen.«
»Nun…« Die Heilerin lächelte hintergründig. »So lang und beschwerlich, wie Ihr meint, war er gar nicht.« Als sie die fragenden Blicke der Fremden bemerkte, fügte sie hinzu: »Mein Einhorn kennt die geheimen Pfade, die einst von den Feen angelegt worden sind. Sie durchziehen die Lande von Aventerra und vermögen die Wissenden viel schneller an ihr Ziel zu bringen.«
Niami staunte. »Tatsächlich?«
Die Heilerin nickte. »Deshalb wollte ich vorschlagen, dass Ihr Euch mir anschließt. Dann könnten wir schon morgen durch die Tore von Hellunyat reiten.«
»Ja, natürlich – gern«, sagte Niami erleichtert. »Komm, Auriel, wir folgen ihr.«
»Das wird leider nicht möglich sein«, sagte die Heilerin bedauernd. »Nur die Einhörner und ihre Vettern, die Zweihörner, vermögen den geheimen Pfaden zu folgen – und natürlich die Eingeweihten.«
»Ach.« Niami klang enttäuscht.
»Keine Angst«, beruhigte die Heilerin sie. »Mein Reittier wird uns beide tragen. Und Euer Begleiter kann mit Eurem Pferd nach Hause zurückkehren.«
»Niemals!« Auriels Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an, als er sich an Niami wandte. »Euer Vater hat mir befohlen, über Eure Sicherheit zu wachen, bis
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