Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Lächeln ein Hauch von Wehmut, und sie glaubte einen feuchten Schimmer in Annas Augen zu erkennen. Eine eisige Hand schien sich um ihr Herz zu legen und es zusammenzupressen. »Das mag ja alles sein, Mama«, flüsterte sie betroffen. »Aber ich vermisse dich so sehr, dass ich seit ein paar Tagen an nichts anderes mehr denken kann.«
»Das habe ich gemerkt, Laura.« Kummer sprach aus Annas Blick. »Deine Gedanken und Gefühle überwinden selbst die Grenzen, die unsere Welten voneinander trennen. Auch ich vermisse dich, genauso wie ich Lukas und Marius vermisse. Die Sehnsucht nach euch wird mit jedem Tag größer. Es kann nicht mehr lange dauern, bis dieses Verlangen so übermächtig wird, dass es mir das Herz bricht.«
»Aber…« Lauras Gedanken rasten. »Das bedeutet doch, dass du tatsächlich noch am Leben bist! Sonst könntest du doch gar nicht so stark empfinden.«
Die Mutter antwortete nicht, sondern erwiderte den flehenden Blick der Tochter mit unergründlicher Miene.
»Antwortete mir, Mama«, flehte Laura. »Sag mir, dass ich Recht habe – bitte!«
»Meinst du wirklich, dir wäre damit geholfen?« Annas Stimme klang ungewöhnlich ernst. »Selbst wenn du die Gewissheit hättest, dass ich noch lebe – was würde dir das nützen? Das Wissen allein brächte mich doch auch nicht wieder zu euch zurück!«
»Natürlich nicht.« Laura fühlte Verzweiflung in sich aufsteigen. »Aber ich wäre dann wenigstens sicher, dass es sich lohnt, nach dir zu suchen – und würde deshalb alles tun, um dich zu finden.«
Unendlich traurig blickte die Mutter sie an. »Schade, Laura«, sagte sie tonlos. »Eigentlich hatte ich mir eine andere Antwort erhofft. Ganz besonders von dir.«
»I-I-Ich verstehe nicht…?«
»Nein? Wirklich nicht?« Anna Leanders Stimme klang enttäuscht. »Ich dachte immer, dass du mich liebst.«
»Natürlich, Mama. Das tue ich doch!«
»Tatsächlich? Deine Worte lassen Zweifel daran aufkommen. Seit wann braucht Liebe denn Gewissheit? Sind deine Gefühle nicht stark genug, um dich bedingungslos für mich einzusetzen?«
»Aber –«, hob Laura an, doch die Mutter ließ sie nicht ausreden.
»Wenn das so ist, Laura«, fuhr Anna Leander mit ernster Miene fort, »dann solltest du gar nicht erst versuchen, mein Schicksal aufzuklären. Diese Aufgabe ist um vieles schwieriger als alle Rätsel, die du bislang gelöst hast. Du wirst sie nur dann erfüllen können, wenn dein Vertrauen in dich selbst und in die Kraft des Lichts grenzenlos ist – und wenn deine Liebe zu mir so groß ist, dass du vor keiner Gefahr zurückschreckst. Ansonsten wird das Unterfangen zum Scheitern verurteilt sein, und du wirst nie erfahren, ob ich noch lebe oder nicht. Denn sobald ich nicht mehr in deinem Herzen lebe, bedeutet das für mich den sicheren Tod.«
Die wachsende Verzweiflung schnürte Laura den Hals zu. »Versteh mich doch, Mama! Ich liebe dich. Und ich bin auch bereit, alles für dich zu geben.« Plötzlich begriff sie die tiefere Bedeutung von Annas Worten. »Aber, Mama – wenn mein Scheitern deinen Tod bedeutet, dann kann das nur heißen, dass du tatsächlich noch lebst. Oder nicht?«
»Tut mir leid, Laura. Aber mehr darf ich dir dazu nicht sagen. Es liegt allein an dir, die tiefere Bedeutung meiner Worte zu ergründen.«
»Dann verrätst du mir auch nicht, wo du dich befindest?«
»Auch das ist mir verwehrt. Allerdings…« – plötzlich lächelte Anna und zwinkerte ihrer Tochter verschwörerisch zu – »trägst du alle Voraussetzungen in dir, um diese Aufgabe zu lösen, selbst wenn sie ungemein schwierig ist. Denke immer daran: Wer etwas nicht weiß, sollte wenigstens wissen, wo er sich darüber informieren kann. Beherzige stets, was du in den letzten Monaten gelernt hast: Wer hinter die Oberfläche der Dinge blickt und die richtigen Fragen stellt, der wird auch die richtigen Antworten erhalten.« Gegen ihre sonstige Gewohnheit hob Anna die Hand wie ein strenger Lehrer. »Es kommt schließlich nur äußerst selten vor, dass man Dinge entdeckt, nach denen man gar nicht gesucht hat.«
Laura sah sie ratlos an. »Was meinst du damit, Mama?«
»Genau das, was ich gesagt habe. Nichts geschieht ohne besonderen Grund, und so wirst du vieles erst richtig verstehen können, wenn du diesen herausfindest. Die Erkenntnisse, die du auf diese Weise gewinnst, werden dich zu mir führen – vorausgesetzt, du deutest sie richtig.«
»Echt?«
»Echt«, wiederholte Anna leicht amüsiert, bevor sie wieder ernst wurde.
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