Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
weiter. – Tu das, mein Junge, sagte ich; er hatte bereits fünf Minuten mit Absteigen verloren, um sein Frühstück von Schwarzbrot hervorzuholen, das er in die Kutschentasche gesteckt hatte, und war dann wieder aufgestiegen und langsam weiter gefahren, um mehr Genuss davon zu haben. – Etwas rascher, Schwager, sagte ich, aber in dem denkbarst einschmeichelnden Ton, denn ich klopfte mit einem vierundzwanzig Sousstück an die Scheibe, wobei ich Sorge trug, dass die breite Seite gegen ihn sah, als er zurückblickte. Der Schlingel grinste verständnisvoll vom rechten bis zum linken Ohr; und ließ hinter seiner schmutzigen Schnauze eine solche Perlenreihe von Zähnen sehen, dass ein Souverain seine Juwelen dagegen hätte verpfänden können.
Gerechter Himmel! {Welche Kauer! / Welches Brot!}
Als er mit dem letzten Mundvoll fertig war, fuhren wir in Montreuil ein.
210. Kapitel
Ich glaube, keine Stadt in ganz Frankreich sieht auf der Karte besser aus als Montreuil. – In dem Buch der Poststraßen sieht sie schon nicht so gut aus; – aber wenn man wirklich hineinkommt, – da sieht sie schon ganz erbärmlich aus.
Doch gibt es gegenwärtig etwas sehr Hübsches drin, nämlich die Tochter des Gastwirts. – Sie war achtzehn Monate in Amiens und sechs in Paris und hat dort ihre Klassen durchgemacht; sie strickt und näht und tanzt und macht ihre kleinen Koketterien sehr gut.
Die Schlampe. Während der fünf Minuten, dass ich sie anschaute, ließ sie alle jene Koketterien los und wenigstens ein Dutzend Maschen in ihrem Strickstrumpf fallen. – Ja, ja! – Ich sehe es, du schlaue Hexe! – er ist lang und fein gerundet – du brauchst ihn nicht auf deinem Knie anzustecken; – ich sehe wohl, er gehört dir, – und liegt dir genau an.
Obwohl die Natur diesem Geschöpf ein Wort über den »Daumen einer Statue« gesagt hat!
Da aber dieses Modell so viel wert ist als alle Daumen der Welt – und ich dabei überdies Daumen und Finger mitbekomme, für den Fall, dass sie mir von irgend etwas eine Andeutung geben können, – und der Janatone (Jeanneton) (so heißt sie nämlich) zugleich so gut zum Zeichnen sitzt, – so will ich nie wieder zeichnen, oder vielmehr mit aller Kraft Zeit meines Lebens wie ein Zugpferd ziehen [Anm.: Wortspiel im Englischen to draw, zeichnen und ziehen] – wenn ich sie nicht in allen ihren Verhältnissen und mit einem so sicheren Stift zeichne, als ob sie in ihrem nässesten Gewande vor mir säße.
Doch der verehrte Leser wünscht lieber, dass ich ihm die Länge, Breite und senkrechte Höhe des großen Kirchturms oder eine Zeichnung von der Façade der Abtei St. Austreberte gebe, die von Artois hierher gebracht wurde: – da ist Alles noch gerade so wie die Steinhauer und Zimmerleute es verlassen haben; – und wird auch noch die nächsten fünfzig Jahre so bleiben, falls die christliche Religion solange dauert; – mithin kann sie der verehrte und hochwürdige Leser nach Muße selbst ausmessen. Wer aber dich ausmessen will, Jeanneton, muss es jetzt tun; – du trägst die Motive der Veränderung in deiner Gestalt; und wenn ich die Wechselfälle dieses Lebens betrachte, so möchte ich nicht einen Augenblick für dich stehen. ehe zwei Mal zwölf Monate vergehen, kannst du wie ein Kürbis auswachsen und deine Taille verlieren; – oder wie eine Blume verwelken und deine Schönheit einbüßen; – ja du kannst sogar verwelken wie eine Dirne – und dich selbst verlieren. – Ich würde nicht einmal für meine Tante Dinah stehen, wenn sie noch am Leben wäre; – ja nicht einmal für ihr Portrait, – wäre es nämlich von Reynold gemalt.
Doch wenn ich in meiner Zeichnung noch weiter mache, nachdem ich diesen Sohn Apollo's genannt habe, will ich mich totschießen lassen.
Sie müssen sich daher mit dem Original begnügen, und dieses können Sie, falls der Abend schön ist, wo Sie durch Montreuil kommen, an Ihrem Kutschenschlag sehen, während Sie die Pferde wechseln; wenn Sie jedoch nicht einen so bösen Grund zum Weitereilen haben, – so bleiben Sie lieber über Nacht. – Sie hat etwas von einer Frommen; aber dies ist eine Terz gegen einen Neuner zu Ihren Gunsten, mein Herr.
Leider Gottes konnte ich nicht einen einzigen Point zählen, so sehr war ich schon gepikt und wieder gepikt und zum Teufel gematscht.
211. Kapitel
Wenn ich dies Alles in Betracht ziehe und mir sage, dass zudem noch der Tod mir näher sein könnte, als ich denke – so wollte ich, ich wäre zu Abbeville, sagte
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