Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
– Was aber die Chronologie betrifft, Trim, fuhr mein Onkel Toby fort, indem er sich wieder ruhig in sein Schilderhaus setzte, so muss ich gestehen, dass ihrer der Soldat wohl am ehesten entbehren könnte, wenn ihn diese Wissenschaft nicht über den Zeitpunkt der Erfindung des Schießpulvers aufklären würde; denn die grausame Zerstörung, die davon ausgeht, und Alles wie der Blitz vor sich niederwirft, ist für uns eine neue Ära der militärischen Entwicklung geworden und hat die Natur des Angriffs und der Verteidigung zur See und zu Land so sehr verändert, und so viel Kunst und Geschick dabei zu Tage gebracht, dass man in Bestimmung der Zeit seiner Entdeckung nicht genau genug, in Nachforschung nach dem großen Entdecker und der Veranlassung, bei der die Entdeckung gemacht wurde, nicht gründlich genug sein kann.
Ich will durchaus nicht bestreiten, fuhr mein Onkel Toby fort, worin auch die Geschichtsschreiber einig sind, dass im Jahr unseres Herrn 1380 unter der Regierung Wenzels, eines Sohnes von Karl IV., ein gewisser Mönch Namens Schwartz den Venezianern in ihrem Krieg gegen die Genuesen den Gebrauch des Schießpulvers lehrte; aber es ist gewiss, dass er nicht der Erste war; denn wenn wir dem Bischof von Leon, Don Pedro, Glauben schenken dürfen – Euer Gnaden, wie kamen denn Mönche und Bischöfe dazu, sich so viel mit Schießpulver abzugeben? fragte Trim. – Das weiß Gott! erwiderte mein Onkel Toby, seine Vorsehung versteht aus Allem Gutes zu ziehen; Don Pedro also behauptet in seiner Chronik vom König Alphons, welcher Toledo einnahm, – dass schon im Jahre 1343, also volle 37 Jahre vor Schwartz das Geheimnis des Pulvers Mohren und Christen wohl bekannt gewesen und nicht nur bei ihren Seeschlachten, sondern auch bei den meisten ihrer denkwürdigen Belagerungen in Spanien und der Berberei angewendet worden sei; – auch weiß Jedermann, dass der Mönch Bacon schon 150 Jahre ehe Schwartz geboren wurde, darüber geschrieben und der Welt edelmütig ein Rezept zur Bereitung desselben hinterlassen hat; – und dass die Chinesen, fuhr mein Onkel Toby fort, uns und alle Berichte hierüber noch mehr in Verlegenheit setzen, insofern sie sich rühmen, dass sie diese Erfindung schon mehrere Hundert Jahre vor Bacon gemacht haben.
Ich glaube das ist eine rechte Lügenbrut! rief Trim.
Sie müssen sich hierüber irgend wie im Irrtum befinden, sagte mein Onkel Toby, das geht aus dem gegenwärtigen elenden Zustand ihrer Befestigung hervor; denn diese besteht nur aus einem Graben mit einem Backsteinwall ohne Flanken, – und das was sie an den Winkeln desselben für eine Bastion ausgeben, ist so barbarisch gebaut, dass man es ebensogut – für eines meiner sieben Schlösser halten könnte, Euer Gnaden, fiel Trim ein.
Obgleich mein Onkel sehr in Not wegen eines guten Vergleichs war, so lehnte er doch Trim's Aushilfe sehr artig ab, – bis ihm Trim sagte, er habe noch ein halb Dutzend Schlösser in Böhmen, die er nicht wisse, wie losbringen. Über diesen herzlichen Spass des Korporals war mein Onkel Toby so vergnügt, dass er seine Vorlesung über Schießpulver fahren ließ, und den Korporal bat, jetzt nur mit seiner Geschichte vom König von Böhmen und dessen sieben Schlössern fortzumachen.
Fortsetzung der Geschichte vom König von Böhmen und dessen sieben Schlössern.
Dieser unglückliche König von Böhmen, sagte Trim. – Ja, war er denn unglücklich? rief mein Onkel Toby, denn er war in seine Vorlesung über Schießpulver und andere militärische Angelegenheiten so versunken gewesen, dass er zwar dem Korporal geboten hatte, weiter zu machen, die vielen Unterbrechungen aber, die er veranlasst, nicht so schwer auf seine Phantasie drückten, um sich jenes Beiwort daraus erklären zu können. – War er denn unglücklich? fragte mein Onkel Toby pathetisch. – Der Korporal wünschte zuerst das Wort und alle seine Synonymen zum Teufel und begann dann im Geist die Hauptereignisse im Leben des Königs von Böhmen an sich vorübergehen zu lassen. Da aber aus allen hervorging, dass dieser König eigentlich der glücklichste Mann gewesen, der je auf der Welt gelebt – so kam der Korporal in keine geringe Verlegenheit; und da er sein Prädikat nicht zurücknehmen, – und noch weniger es klären, – am allerwenigsten aber seine Geschichte verdrehen wollte (wie die Gelehrten es oft machen, um ein System zu retten) – so sah er meinem Onkel Toby Hilfe suchend ins Gesicht. Als er jedoch wahrnahm, dass mein
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