Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
auf eine Erfindung oder Idee, die auf die Förderung der Schriftstellerei zielt, ohne dass ich sie augenblicklich öffentlich bekannt mache, denn ich möchte, dass alle Leute so gut schrieben wie ich selbst:
Was sie ganz gewiss tun werden, wenn sie ebensowenig denken.
292. Kapitel
In gewöhnlichen Fällen nun, das heißt, wenn ich nur einfältig bin, und die Gedanken schwerfällig kommen und so recht harzig durch meine Feder laufen –
Oder wenn ich, ich weiß nicht wie, in eine kalte metaphernlose niederträchtige Schreiberei hineingeraten bin und ums Leben nicht daraus herauskommen kann; und dann fortschreiben müsste wie ein holländischer Kommentator bis ans Ende des Kapitels, wenn nicht etwas geschähe –
So unterhandle ich doch nie einen Augenblick mit Feder und Tinte; sondern wenn eine Prise Tabak oder ein Gang durchs Zimmer nicht helfen wollen, – so nehme ich ein Rasiermesser, probiere die Schärfe am Ballen meiner Hand und rasiere dann meinen Bart ohne weitere Zeremonie, außer dass ich ihn vorher einseife, wobei ich nur Sorge trage, dass wenn ja ein Haar stehen bleibt, es kein graues ist. Hierauf wechsle ich mein Hemd, – ziehe einen besseren Rock an, – schicke nach meiner neuesten Perücke, – stecke meinen Topasring an den Finger, mit einem Wort ziehe mich vollständig und aufs beste an.
Nun müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn dies nichts hülfe; denn man bedenke, da jeder Mann gerne dabei ist, wenn sein eigener Bart rasiert wird (obgleich es keine Regel ohne Ausnahme gibt), und solange dies geschieht, er sich die ganze Zeit über ganz unvermeidlich selbst gegenüber sitzt, falls er nämlich dabei mitarbeitet, – so muss diese Situation wie alle anderen notwendig ihre eigentümlichen Bemerkungen in sein Gehirn bringen.
Ich behaupte, die Ideen eines raubärtigen Mannes werden um sieben Jahre eleganter und jugendlicher durch eine einzige Operation; und könnten, wenn sie nicht Gefahr liefen ganz wegrasiert zu werden, durch beständiges Rasieren auf den höchsten Gipfel der Erhabenheit gebracht werden. – Wie es Homer zu Stande brachte, mit einem so langen Bart zu schreiben, begreife ich nicht; – und da dieser Fall gegen meine Hypothese spricht, bekümmere ich mich auch nicht darum; – kehren wir jedoch zur Toilette zurück.
Ludovicus Sorbonensis will dies ganz zu einer Angelegenheit des Körpers machen (εξωτερικη πραξις, wie er es nennt), – aber er täuscht sich: Seele und Leib sind bei jeder Sache, die sie erzeugen, Mitteilhaber. Ein Mann kann sich nicht anziehen, ohne dass seine Ideen zu gleicher Zeit bekleidet werden; und wenn er sich wie ein Gentleman kleidet, so wird auch jeder seiner Gedanken in einer ähnlichen nobeln Art vor seiner Phantasie stehen, – so dass er nichts zu tun braucht, als seine Feder zu ergreifen und so zu schreiben wie er selbst ist.
Wenn daher der geneigte Leser gerne wissen möchte, ob ich sauber und lesbar schreibe, so wird er hierüber ganz ebensogut urteilen können, wenn er in die Rechnung meiner Wäscherin, wie wenn er in mein Buch sieht. Ich kann von einem einzigen Monat nachweisen, dass ich einunddreissig Hemden durch sauberes Schreiben beschmutzte, und dass ich trotzdem für das, was ich in diesem einen Monat geschrieben, mehr geschmäht, verwünscht, kritisiert und verdammt wurde, und dass mehr mystische Köpfe deshalb geschüttelt wurden, als in allen andern Monaten dieses Jahrs zusammen.
Aber der geehrte Leser hat die Rechnungen nicht gesehen, die ich darüber bekommen.
293. Kapitel
Da ich niemals die Absicht hatte, die Abschweifung, für die ich all diese Vorbereitungen getroffen habe, früher zu beginnen, als bis ich zum 294. Kapitel komme, – so kann ich dieses Kapitel benützen wie ich für gut finde. – Ich habe in diesem Augenblick zwanzig Stoffe dafür. – Ich könnte mein Kapitel über die Knopflöcher schreiben, –
Oder mein Kapitel über die Pfui's, das darauf folgen sollte – Oder mein Kapitel über Knoten; falls aber der geneigte Leser nichts mehr damit zu schaffen haben will, – könnten sie mich zu Missliebigkeiten führen. Das Sicherste ist, ich mache es wie die gelehrten Herren und erhebe Einwürfe gegen das was ich geschrieben habe, obschon ich zum Voraus erklären muss, dass ich so wenig etwas darauf zu erwidern vermöchte wie mein Absatz.
Und zuerst kann man sagen, in meinen Sachen liege eine erbärmliche Art Thersitischer Satire, so schwarz wie die Tinte, in der sie geschrieben
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