Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Dr. Slop sei droben bei meiner Frau; und Sie sagten es auch. – Was hat der Mensch jetzt in der Küche zu tun! – Euer Gnaden, erwiderte Trim, er ist damit beschäftigt eine Brücke zu machen. – Das ist sehr freundlich von ihm, sagte mein Onkel Toby; – sag' Dr. Slop mein unterthäniges Kompliment, Trim, und ich lasse ihm herzlich danken.
Mein Onkel Toby missverstand natürlich die Brücke – wie mein Vater die Mörser missverstanden hatte: – damit der Leser aber verstehe, wie mein Onkel Toby die Brücke missverstehen konnte – muss ich wohl den Weg genau beschreiben, der ihn dahin führte; – oder um mein Gleichnis fallen zu lassen (denn nichts ist unartiger von einem Geschichtsschreiber, als wenn er sich solcher Gleichnisse bedient), – damit der Leser die Wahrscheinlichkeit dieses Irrtums von Seiten meines Onkels begreife, muss ich erst, obwohl sehr gegen meinen Willen, ein Abenteuer von Trim erzählen; ich sage, sehr gegen meinen Willen, weil die Geschichte in einer Beziehung hier gar nicht an ihrem Platze ist; denn von Rechtswegen sollte sie entweder bei der Liebesgeschichte meines Onkels Toby mit der Witwe Wadman, wobei Korporal Trim keine kleine Rolle spielte – oder aber bei seinen und meines Onkel Toby's Feldzügen auf dem Rasenplatze kommen; sie würde recht gut an die eine wie an die andere Stelle passen; – spare ich sie aber für diesen oder jenen Teil meiner Geschichte auf – so ruiniere ich das Kapitel an dem ich gerade bin; – und erzähle ich sie hier – so überstürze ich die Dinge und schädige dort.
– Was wünscht der geneigte Leser, dass ich in diesem Falle tun soll?
Erzählen Sie, Herr Shandy, immer zu! – Sie sind ein Esel, Tristram, wenn Sie es tun.
O ihr Mächte! (denn Mächte seid ihr und dazu noch große Mächte) – die ihr den Sterblichen befähigt, eine hörenswerte Geschichte zu erzählen, – die ihr ihm freundlich zeigt, wo er damit anzufangen hat – und wo er sie schließen soll – was er in dieselbe hineinbringen soll – und was er lieber außen lässt – welche Teile er im Schatten halten – und über welche er wieder Licht verbreiten soll! – Ihr, die ihr jenem großen Reiche biographischer Freibeuter vorsteht und seht, in wie viele Nöten und Verlegenheiten eure Untertanen stündlich geraten – darf ich euch um Eines bitten?
Ich bitte und flehe euch an, dass ihr (falls ihr nichts Besseres für uns tun wollt) überall da, wo ein Teil eures Gebietes so gestaltet ist, dass drei verschiedene Straßen nach einem Punkte führen, wie in dem vorliegenden Falle – wenigstens aus Mitleid einen Wegweiser in die Mitte derselben stellt, der einem unsichern armen Teufel zeigt, welche derselben er einschlagen soll.
68. Kapitel
Obwohl der Stoß, den mein Onkel Toby ein Jahr nach der Schleifung von Dünkirchen in seiner Geschichte mit der Witwe Wadman erhielt, den Entschluss in ihm befestigt hatte, nie mehr an das schöne Geschlecht – oder was dazu gehörte – zu denken, so hatte doch Korporal Trim mit sich selbst keinen derartigen Vertrag abgeschlossen. – Im Falle meines Onkels Toby waren mehrere merkwürdige und unvorhergesehene Umstände zusammengekommen, welche ihn unmerklich dahin führten, jene schöne und starke Zitadelle zu belagern. – Bei Trim dagegen war nichts auf der Welt zusammengekommen als er selbst und Brigitte in der Küche; – denn die Liebe und Verehrung, die er für seinen Herrn hegte, war so groß, und er so darauf erpicht ihn in Allem nachzuahmen was er tat, dass wenn mein Onkel Toby seine Zeit und seinen Geist dazu angewendet hätte, Spitzen zu klöppeln – ich überzeugt bin, der ehrliche Korporal würde die Waffen niedergelegt haben und seinem Beispiel mit Vergnügen gefolgt sein. Als daher mein Onkel Toby sich vor der Herrin lagerte, – nahm Korporal Trim sofort Stellung vor deren Mädchen.
Nun, mein lieber Freund Garrick, den ich so viel Ursache habe zu schätzen und zu verehren – (warum oder weshalb, gehört nicht hierher) – es ist Ihrem Scharfsinn – ich appelliere an ihn – wohl nicht entgangen, dass eine Menge von Schauspielschreibern und Verfassern von Schnickschnack seither nach dem Muster Trimms und meines Onkels Toby gearbeitet haben? – Ich kehre mich nicht daran, was Aristoteles oder Pacuvius oder Bossu oder Riccaboni sagen – (ich habe auch niemals einen derselben gelesen) – aber der Unterschied zwischen einem Einspänner und einem Madame-Pompadour- vis-à-vis ist gewiss nicht grösser als der
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