Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
wenig normal. Eine von Miß Albacinis Tanten fand den Ausschnitt des Brautkleides zu unzüchtig; eine andere fand ihn nicht tief genug; ein paar Brautjungfern wurden ohnmächtig, zwei weitere bekamen leichte hysterische Anfälle; alle hielten aufgeregte Reden, als Miß Albacini und ihre Brautjungfern schließlich in vollem Staat durch Foyer defilierten; Tränen flössen, Gelächter klang auf; Mrs. Albacini wurde Riechsalz unter die Nase gehalten; und wir hatten alle eine sehr vergnügliche Zeit.
    Um drei Uhr brachte mir Estelle, unsere Lageristin, einen Becher Kaffee; ich rief das Schreibmaschinenzimmer an und bat um eine Stenotypistin; und als sie kam, begann ich sofort, den umfassenden Bericht zu diktieren, den Kirkpatrick über das gestrige Fiasko verlangt hatte. Doch irgendwie fehlte mir der nötige Schwung dafür. Schließlich war das alles gestern passiert; jetzt waren die Albacinis strahlend glücklich und zufrieden; warum alte Wunden wieder aufreißen?
    Ich steckte mitten in dem Bericht, als mein Telefon läutete. Jean Ehrlichs Stimme sagte: »Du? Du wolltest doch E. D. sprechen. Bleib’ am Apparat.« Und gleich darauf knarrte Mr. Cavanaughs Stimme an mein Ohr: »Ja? Was gibt’s?«
    Dieser Ton überraschte mich, denn ich war mit Mr. Cavanaugh immer gut zurechtgekommen. Außerdem war so viel geschehen, seit ich am Morgen sein Büro angerufen hatte, daß ich heftig nachdenken mußte, ehe ich überhaupt antworten konnte. Ach, ja: Giachino, idiotische Nichtskönner. Keine weiteren Aufträge. Ich sagte: »Mr. Cavanaugh, wenn Sie frei sind, würde ich sie gern kurz sprechen.«
    »Mich sprechen? Weshalb?«
    »Dürfte ich hinauf kommen in Ihr Büro, Sir?«
    »Meine Sekretärin sagt mir, es betrifft Mr. Kirkpatrick. Stimmt das?«
    Ich konnte nicht frei sprechen, weil die Stenotypistin jedes Wort mithörte. Also sagte ich: »Es betrifft die Abteilung, Sir.«
    »Wenn Sie aufhören wollen, wie die Katze um den heißen Brei zu reden und mir sagen, um was es sich handelt, werde ich Ihnen sagen, ob ich Zeit für Sie habe.«
    »Sir — «
    »Zeitlisten? Freie Tage? Urlaube? Das geht mich alles nichts an. Solche Dinge müssen Sie mit Miß Ponsonby besprechen.«
    »Mr. Cavanaugh, es handelt sich um eine Angelegenheit, die unsere Lieferungen betrifft. Ich muß sie wirklich mit Ihnen besprechen.«
    »Lieferungen? Sie meinen Lieferungen für die Brautabteilung?«
    »Ja, Sir.«
    Ein paar Sekunden schwieg er. Dann raunzte er mißmutig: »Ich bin gerade auf dem Wege nach Miederwaren. Komme in ungefähr fünf Minuten bei Ihnen vorbei.«
    Damit hieb er krachend den Hörer auf die Gabel.
    Mr. Cavanaugh ist ein hochgewachsener Ire, frisch-fröhlich und energiegeladen. Ich habe immer den Argwohn gehabt, daß seine fröhliche Frische eine Art Schutzfarbe ist — daß er ein Nervenbündel sein würde, wenn er nicht gelegentlich einen Witz riß. Er trägt eine Last, die viel zu schwer ist für jedes Paar menschliche Schultern, denn er ist im Endeffekt der Verantwortliche für alles, was im Geschäft verkauft oder nicht verkauft wird. Die Einkäufer aller Abteilungen unterstehen ihm, doch letztlich trägt er die Verantwortung für Gewinn und Verlust.
    Im Augenblick war er entschieden nicht frisch-fröhlicher Stimmung. Er wirkte vielmehr ausgesprochen grimmig. Er schloß meine Tür mit hartem Knall, pflanzte sich mir gegenüber auf, blickte dräuend auf mich herunter und schnappte: »Na?«
    »Mr. Cavanaugh—«
    »Kommen Sie zur Sache. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Er war abscheulicher Laune, also sprach ich schnell. »Mr. Cavanaugh, ich hatte gestern eine kleine Schwierigkeit mit einem unserer Fabrikanten — «
    »Mit welchem?«
    »Giachino.«
    »Weiter.«
    »Es war ein Irrtum passiert. Wir hatten eine Anprobe, und Giachino hatte uns aus Versehen den falschen Auftrag geschickt —«
    »Habe ich gehört. Mr. Carroll hat es mir gesagt. Irgendein Durcheinander. Sie haben einen offiziellen Verweis erhalten. Wollen Sie sich darüber beklagen? Den hatten Sie verdient.«
    Jetzt explodierte ich: »Mr. Cavanaugh, den hatte ich nicht verdient. Wie kann man mich verantwortlich halten, wenn ein Fabrikant den falschen Auftrag schickt?«
    Barsch sagte er: »Wollen Sie mich deshalb sprechen?«
    Ich zwang mich zur Ruhe. »Nein, Sir. Ich wollte Ihnen lediglich mitteilen, daß ich als Resultat dieses Irrtums die Anweisung von Mr. Kirkpatrick erhalten habe, Giachino keine Aufträge mehr zu erteilen.«
    »Was?«
    Ich saß da und wartete. Beinahe tat

Weitere Kostenlose Bücher