Lauter reizende alte Damen
auf, und seine Frau und Tuppence gingen hinein.
Die Fensterläden waren geschlossen, aber ein Flügel hing lose in den Angeln und ließ Licht herein. Auch im Halbdunkel war der schöne, etwas verblasste grüne Teppich zu erkennen. An der Wand stand ein Bücherregal, aber es gab weder Stühle noch einen Tisch. Offenbar waren die Möbel fortgebracht worden, während die Teppiche und Vorhänge wohl zum Haus gehörten und auf den nächsten Mieter warteten.
Mrs Perry trat an den Kamin. Auf dem Rost lag ein Vogel. Er schlug mit den Flügeln und stieß entsetzte Schreie aus. Sie bückte sich und hob ihn auf.
»Kannst du das Fenster aufmachen, Amos?«
Amos zog den innen angebrachten Laden zur Seite und legte den Fensterriegel um. Mühevoll schob er das untere Fenster hoch. Mrs Perry beugte sich weit hinaus und ließ die Dohle frei. Sie taumelte auf den Rasen und hüpfte ein paar Schritte.
»Mach ihn lieber tot«, sagte Perry. »Er hat was abbekommen.«
»Ach, lass uns noch ein bisschen warten. Vögel erholen sich oft schnell. Vielleicht ist es nur die Angst.«
Und wirklich, nach ein paar Augenblicken flog die Dohle flatternd und kreischend davon.
»Hoffentlich passiert das nicht noch mal«, sagte Alice Perry.
»Vögeln ist alles zuzutrauen. Die lernen nie etwas. – Oh, was ist denn das für eine Schweinerei!«
Alle starrten auf den Kamin. Aus dem Schornstein waren alter Ruß, Ziegelbrocken und Mörtel auf den Rost gefallen. Er musste ziemlich baufällig sein. »Hier sollte wirklich jemand wohnen«, stellte Mrs Perry fest.
»Ja, oder sich wenigstens um das Haus kümmern«, stimmte Tuppence zu. »Es muss unbedingt repariert werden, sonst stürzt es eines Tages noch ein.«
»Wahrscheinlich ist das Dach undicht, und es hat durchgeregnet. Ja, da, sehen Sie die Decke? Da ist es auch schon durchgekommen.«
»Ein Jammer, dass das Haus so ruiniert wird«, sagte Tuppence. »Und dieses Zimmer ist so schön, finden Sie nicht auch?«
Tuppence und Mrs Perry sahen sich bewundernd um. Das Haus stammte aus dem späten achtzehnten Jahrhundert; und der Raum hatte den Charme der damaligen Zeit bewahrt. Die verblichene Tapete zeigte ein Muster aus Weidenblättern.
»Es ist nur noch eine Ruine«, sagte Mrs Perry.
Tuppence wühlte mit der Schuhspitze in dem Kaminschutt.
»Brr!« rief sie plötzlich. Vor ihr lagen zwei tote Vögel. Sie schienen schon lange tot zu sein.
»Das ist das Nest, das vor ein paar Monaten runtergekommen ist«, sagte Perry.
»Und was ist das?«, fragte Tuppence. Sie deutete mit der Fußspitze auf etwas, das unter dem Schutt verborgen war. Dann bückte sie sich und hob es auf.
»Fassen Sie keinen toten Vogel an!«, warnte Mrs Perry.
»Es ist kein Vogel. Nein!« Sie starrte den Gegenstand an. »Es ist eine Puppe!«.
Sie betrachteten sie alle. Sie war abgestoßen, die Kleider hingen in Fetzen an ihr; der Kopf pendelte, aber es war zweifellos eine Puppe. Ein Glasauge fiel heraus. Tuppence fing es auf und hielt es in der Hand.
»Ich möchte doch gern wissen«, sagte sie, »wie eine Kinderpuppe in einen Kamin kommt. Das ist seltsam.«
8
T uppence fuhr langsam über den gewundenen Weg, der zum Dorf Sutton Chancellor führen sollte. Er war ganz einsam; kein Haus weit und breit – nur vereinzelte Gattertore, von denen Lehmpfade in die Felder wiesen. Ein Traktor begegnete ihr und der Lieferwagen einer Brotfabrik. Der spitze Kirchturm, den sie von weitem gesehen hatte, schien nun verschwunden zu sein, tauchte aber plötzlich nach einer scharfen Kurve hinter einer Baumgruppe in nächster Nähe wieder auf. Tuppence stellte fest, dass sie genau zwei Meilen gefahren war.
Mitten in dem großen Friedhof stand die schöne alte Kirche. Neben dem Portal wuchs eine alte, mächtige Eibe. Tuppence hielt vor der Pforte an, stieg aus und blieb einen Augenblick stehen, um alles zu betrachten. Dann ging sie zur der Kirchentür mit dem runden, normannischen Bogen und hob den schweren Türriegel. Es war nicht abgeschlossen.
Der Innenraum wirkte unbedeutend. Die Kirche war ohne jeden Zweifel sehr alt, aber in der Viktorianischen Zeit renoviert worden. Die schwarzgebeizten Bänke und die grellen roten und blauen Glasfenster hatten dem Gebäude allen Reiz genommen. Eine ältere Frau in einem Tweedkostüm ordnete vor der Kanzel Blumen in Kupfervasen. Mit dem Altar war sie schon fertig. Sie musterte Tuppence mit einem strengen, forschenden Blick. Tuppence wanderte durch das Seitenschiff und studierte die Gedenktafeln an den
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