Lauter reizende alte Damen
Armen. Ich würde es den Kindern ja gern zeigen, aber Mrs Peake will das nicht. Sie ist sehr eigen. Sie sagt, man muss ihnen das selbst überlassen. – Wohnen Sie hier?«
»Ich wollte nach Market Basing fahren«, sagte Tuppence. »Vielleicht könnten Sie mir ein ruhiges Hotel empfehlen?«
»Hoffentlich sind Sie nicht enttäuscht. Es ist nur ein kleiner Marktflecken und gar nicht auf Autofahrer eingerichtet. Der ›Blaue Drache‹ hat zwei Sterne, aber ich weiß nicht, wofür er die bekommen hat. Wahrscheinlich wird es Ihnen im ›Lamm‹ besser gefallen. Es ist ruhiger, wissen Sie. Wollen Sie länger bleiben?«
»Nein. Ein oder zwei Tage. Ich wollte mir die Gegend ein bisschen ansehen.«
»Ach, da ist nicht viel zu sehen. Es gibt keine schönen alten Bauwerke. Dies ist ein landwirtschaftliches Gebiet«, mischte sich der Vikar ein. »Aber friedlich ist es, sehr friedlich. Und ich sagte Ihnen ja schon, es gibt interessante Blumen.«
»Ja, und wenn ich Zeit habe, hoffe ich auch, ein wenig zum Botanisieren zu kommen. Aber eigentlich bin ich auf der Suche nach einem Haus.«
»Oh, wie interessant«, rief Miss Bligh. »Haben Sie vor, sich hier in dieser Gegend etwas zu kaufen?«
»Es ist nicht eilig, mein Mann wird erst in anderthalb Jahren pensioniert. Aber ich finde es immer gut, wenn man sich beizeiten umsieht. Ich bleibe am liebsten vier, fünf Tage in einer Gegend, besorge mir eine Liste der Häuser, die in Frage kommen, und fahre dann herum. Ich finde es so mühsam, an einem Tag von London aus hin- und zurückzufahren, um ein bestimmtes Haus zu besichtigen.«
»Sie sind mit dem Wagen hier, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Tuppence. »Ich muss morgen in Market Basing zu einem Häusermakler. Aber hier im Dorf kann ich sicher nicht übernachten. Oder doch?«
»Sie könnten natürlich zu Mrs Copleigh«, sagte Miss Bligh. »Sie nimmt im Sommer Gäste auf. Sie ist sehr sauber. Die Zimmer sind tadellos. Aber sie gibt nur Frühstück, vielleicht auch abends eine Kleinigkeit. Und vor Juli oder August nimmt sie selten Gäste auf.«
»Ich könnte ja mal hinfahren und fragen«, schlug Tuppence vor.
»Sie ist wirklich eine sehr ordentliche Frau«, bemerkte der Vikar. »Aber sie redet wie ein Wasserfall. Von morgens bis abends.«
»In so kleinen Dörfern wird immer viel geklatscht«, sagte Miss Bligh entschuldigend. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen, Mrs Beresford. Ich könnte mit Ihnen zu Mrs Copleigh gehen…«
»Oh, das wäre aber sehr freundlich von Ihnen.«
»Dann sollten wir gleich gehen«, sagte Miss Bligh munter. »Auf Wiedersehen, Herr Vikar! Sind Sie immer noch auf der Suche? Das ist eine traurige Aufgabe. Und wahrscheinlich ganz erfolglos. Ich finde ja wirklich, dass das eine komische Anfrage war.«
Tuppence verabschiedete sich vom Vikar und bot ihm ihre Hilfe an. »Ich könnte ja mal eine Stunde kommen und die Grabsteine entziffern. Meine Augen sind noch sehr gut. Ist es nur der Name Waters, nach dem Sie suchen?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, das Alter ist am wichtigsten. Es müsste ein sieben Jahre altes Kind sein, ein Mädchen. Major Waters vermutet, dass seine Frau einen anderen Namen angenommen hat und dass das Kind unter diesem Namen geführt worden ist. Aber da er ihn nicht kennt, ist es sehr schwierig.«
»Das Ganze ist völlig sinnlos«, erklärte Miss Bligh. »Sie hätten nie darauf eingehen dürfen, Herr Vikar. Es ist eine Zumutung, das von Ihnen zu verlangen.«
»Der arme Mann scheint es sehr tragisch zu nehmen. Aber es ist ja auch eine traurige Geschichte. – Doch ich will Sie nicht aufhalten.«
Tuppence dachte, als sie von Miss Bligh davongeführt wurde, dass Mrs Copleighs Redseligkeit sicher nicht mit der von Miss Bligh konkurrieren könnte. Sie redete auf dem ganzen Weg, scheinbar ohne auch nur einmal Atem zu holen.
Mrs Copleighs Haus war freundlich und gar nicht so klein. Ein Vorgarten trennte es von der Dorfstraße. Blumen blühten; die Schwelle war weiß gestrichen, und der Türgriff war aus blankpoliertem Messing. Mrs Copleigh hätte aus einem Roman von Dickens stammen können. Sie war klein und rund, hatte helle, zwinkernde Augen und blonde, in einer Rolle aufgesteckte Haare. Sie war ungeheuer lebhaft. Erst hegte sie einige Zweifel: »Ach, eigentlich tue ich das nicht, wissen Sie. Mein Mann und ich, wir sagen immer, Sommergäste, das ist was anderes. Das tun heute alle, wenn sie Platz haben… Aber um diese Jahreszeit… ich weiß nicht. Na ja, aber wenn es nur ein paar
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