Lautlos im Orbit (1988)
sofort abtransportierte. So hatte man sich einen Stützpunkt geschaffen, dessen aufwendiger Bau und gedeckte Lage die Militärs hoffen ließen, seine Existenz habe sich den scharfäugigen Aufklärungssatelliten des Gegners entzogen. Die gesamte Kommunikation von und nach Gordon Point verlief über unterirdische Leitungen und weit entfernte Relaisstationen.
Hin und wieder gab es Probleme mit der Belüftung. Vor allem nach Probestarts mehrerer Raketen oder beim Einsatz von mehr als einem Dutzend Flugzeugen gleichzeitig kam es zu Zusammenbrüchen der Sauerstoffversorgung, weil die Exhaustoren die riesigen Abgasmengen nicht schnell genug durch Frischluft ersetzten. Man hatte nachträglich ein System von Atemgasleitungen mit Zapfstellen an allen wichtigen Punkten installiert und das im »Freien« eingesetzte Personal zusätzlich mit kleinen, tragbaren Sauerstoffgeräten ausgerüstet.
Von Gordon Point aus wurden sogenannte »verdeckte Einsätze« gegen den Süden geflogen, vor allem gegen die Mittelamerikanische Union, deren Parlament sich weigerte, die Kanalverträge zu verlängern. Diese Angriffe hatten eigentlich keinen strategischen Wert, man zerstörte Transportwege, belegte grenznahe Dörfer mit Napalm und verwüstete die Ernten. Es ging weder um das Leben der amerikanischen Nation noch um die Eroberung von Gebieten, diese Art der Kriegführung war lediglich eine probate Methode, die politische und wirtschaftliche Lage in Mittelamerika zu destabilisieren und neue konventionelle Waffen flächendeckender Kampfführung zu erproben. Die Industrie hätte nicht gern auf die Möglichkeit praxisnaher Tests verzichtet. Daß man dabei ohne besondere Risiken kompromißlose Kämpfertypen in den eigenen Reihen heranbildete, war ein Nebenprodukt, das in dieser Zeit besonders hoch im Kurs stand.
Meist flogen nur zwei oder drei Maschinen gleichzeitig, stets ausgezeichnet kaschiert, so daß weder Typ noch Nationalität festzustellen waren. Dadurch wurde es möglich, derartige Übergriffe links- oder rechtsradikalen Guerillas anzulasten, je nach Ort, Zeit oder Notwendigkeit modifiziert. Die Substanz entsprechender Kommentare wurde über Rechner modelliert, und so geschah es, daß ein Staatssekretär, der Außenminister oder gar der Präsident selbst in einer flammenden Rede einen Übergriff verurteilte, obwohl er mit ziemlicher Sicherheit annehmen konnte, daß dieser seinen Ausgang in Gordon Point genommen hatte.
Man war sich bewußt, daß diese Methoden nur so lange wirksam sein würden, wie es den anderen nicht gelang, eines Piloten lebend habhaft zu werden. Alle anderen Erfolge der Abwehrkräfte zählten nicht. Selbst Abschüsse brachten ihnen nicht mehr als das momentane Erfolgserlebnis. Die Maschinen verfügten nämlich über Anlagen, die sie im Augenblick eines Treffers automatisch entwaffneten, und niemand vermochte danach noch zu beweisen, woher die in weitem Umkreis verstreuten Trümmer der Bewaffnung stammten. Zumal sich die Suche in den dichten Wäldern Mittelamerikas alles andere als einfach gestaltete. Was sich im übrigen als ebenso vorteilhaft für die Piloten der havarierten Maschinen erwies. Noch nie war einer von ihnen lebend gefangen worden. Dank eines ausgezeichneten Überlebenstrainings und hervorragender Konstitution verschwanden sie spurlos, bis sie irgendwann wieder in Gordon Point eintrafen, stürmisch begrüßt und als Helden gefeiert.
Und doch war das Ganze weiß Gott kein frisch-fromm-fröhlicher Kampf, sondern harte und gefährliche Arbeit. Vor allem, weil sich die Halbinsel Yucatán von der einen, der westliche Teil Kubas von der anderen Seite her wie zwei Riegel in die Flugroute schoben, so daß als internationales Gebiet nur ein schmaler Streifen der Yucatánstraße für die Einflüge in das Karibische Meer zur Verfügung stand.
Sobald die Maschinen in den Überwachungsbereich der Grenzsicherungsanlagen von Pinar del Rio oder Puerto Juárez gerieten, stiegen unverzüglich Abfangjäger auf, meist kubanische und mexikanische gleichzeitig und offenbar koordiniert. Diese Meerenge war der neuralgische Punkt, neunzig Prozent der Verluste konzentrierten sich auf die Yucatánstraße und ihre nähere Umgebung. Wahrscheinlich hätte sich die UNO längst dieser Angelegenheit annehmen müssen, wären die Maschinen nicht stets ins Meer gestürzt und untergegangen.
Trotzdem erfreuten sich derartige Einsätze beim fliegenden Personal von Gordon Point großer Beliebtheit, das mit ihnen verbundene Risiko kam dem
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