Lautlose Jagd
stattfindet. Lassen Sie nicht zu, dass Angst und Misstrauen diesen lange herbeigesehnten historischen Augenblick entwerten.
Vizepräsident Pak und ich werden in dieser Übergangsperiode gemeinsam die Verantwortung für unser Land übernehmen, bis Neuwahlen angesetzt werden können. Die Einzelheiten des friedlichen Übergangs zu einer einheitlichen Rechtsordnung auf der Grundlage einer neuen Verfassung werden möglichst rasch bekannt gegeben. Wir sehen es als unsere Aufgabe, diesen Übergang so glatt, so sozialverträglich und so friedlich wie möglich zu gestalten. Unser Land ist reich, stark und großzügig, und wir müssen dafür sorgen, dass alle Bürger an seinem Wohlstand teilhaben.
Das ist eine schwierige Aufgabe, die wir aber meistern müssen.
Die Augen der Weltöffentlichkeit sind auf uns gerichtet. Um unseres Erbes und der Zukunft unserer Kinder willen dürfen wir nicht versagen.«
Kwon deutete auf die vier Gäste auf dem Podium und fuhr fort:
»Während unser Land sich heute nach der Wiedervereinigung an den Wiederaufbau macht, appellieren wir an die Regierungen der Welt, vor allem aber an jene vier, die durch unsere illustren Gäste vertreten sind, das koreanische Volk zu unterstützen, es zu verteidigen und sein Streben nach Frieden und Harmonie zu fördern.
Vizepräsident Pak und ich verpflichten uns, nach Kräften dazu beizutragen, dass Korea ein guter, starker, zuverlässiger Nachbar für Sie alle wird. Wir danken Ihnen, dass Sie gekommen sind, um diesen freudigen Anlass mit uns zu begehen.
Ich möchte Sie nun bitten, einige Worte an das koreanische Volk und den Rest der Welt zu richten. Madam Ellen Whiting, Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, wenn ich bitten darf...«
Kwon verbeugte sich vor der Vizepräsidentin, die dankend nickte und ans Mikrofon treten wollte.
Bevor sie es jedoch erreichte, fügte der Präsident rasch hinzu:
»Ich bitte vielmals um Verzeihung, Madam Vizepräsidentin, aber bevor Sie sprechen, habe ich noch eine wichtige Mitteilung zu machen:
Zur Friedenssicherung und als vertrauensbildende Maßnahme erklären Vizepräsident Pak und ich, dass wir alle ausländischen Streitkräfte bitten werden, die koreanische Halbinsel so rasch wie möglich zu verlassen. Dazu gehören die Verbände der chinesischen Zwanzigsten und Zweiundvierzigsten Armeegruppe, alle russischen Militärberater und die dem Combined Forces Command unterstellten amerikanischen Truppen.«
Vizepräsidenten Whiting wollte ihren Ohren nicht trauen und rang nach Fassung, als Kwon weitersprach: »Wir begrüßen die Anwesenheit der UN-Kommission für Wiedervereinigung und Abrüstung Koreas, von der wir auch in Zukunft Anleitung und Unterstützung erhoffen. Aber wir ersuchen um baldigen Abzug des Militärkommandos der Vereinten Nationen und der UN-Überwachungsbehörde für die Entmilitarisierte Zone. Erstmals seit fast einem Jahrhundert gehört Korea wieder den Koreanern.
Wir hoffen, dass die Staatengemeinschaft und alle davon Betroffenen diese Entscheidung respektieren und uns helfen werden, unseren rechtmäßigen Platz in der Welt einzunehmen, indem sie die Gefahr verringern, dass unser Land erneut ein blutiges Schlachtfeld wi rd.«
Whitings Miene blieb ausdruckslos, als Kwon Ki-chae breit lächelnd sagte: »Das Wort hat jetzt Madam Ellen Whiting, Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten.« Aber sie stand unter Schock.
Weder Kwon noch Pak hatten auch nur angedeutet, dass sie den Abzug der amerikanischen Truppen aus Korea fordern würden!
Trotzdem musste sie sich dringend zusammenreißen und ein paar freundliche Worte finden.
Die Einladung hoher ausländischer Politiker zu dieser im Fernsehen übertragenen Zeremonie war ein abgekartetes Spiel gewesen, das wussten sie jetzt alle. Indem sie vor der Fahne der neuen Vereinigten Republik Korea standen, billigten sie stillschweigend alles, was hier gesagt wurde - auch den Abzug ihrer bisher in beiden Teilen Koreas stationierten Truppen. Der Vertreter Chinas, Xu Zheng-sheng, war ein untergeordneter Mitarbeiter der chinesischen Botschaft, der nicht begriff, wovon hier die Rede war. Er war nur hier, weil er einer der wenigen Botschaftsangehörigen war, die Pjöngjang nicht fluchtartig verlassen hatten.
Aber die Vertreter Japans, Russlands und der Vereinigten Staaten wussten, was geschehen war. Um ihrem Land den Frieden zu sichern und in der Hoffnung, einen weiteren nuklearen Schlagabtausch vermeiden zu können, hatten die Koreaner sie hierher gelockt, damit
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