Lautlose Jagd
nicht feindselig oder offensiv zu erscheinen, hatten alle US-Flugzeuge, die den ersten Raketenangriff der Nordkoreaner überlebt hatten, Startverbot erhalten. Die Südkoreaner setzten ihre Luftwaffe zur Bekämpfung von einzelnen Bodenzielen in Nordkorea ein, und vertrauten darauf, dass ihre Fla-Truppen die Großstädte vor Luftangriffen schützen würden.
Deshalb war niemand da, der Guardian vor feindlichen Jägern hätte schützen können.
Aber sie hatten noch eine Chance. Sie waren weniger als 100 Meilen von der koreanischen Küste entfernt und hatten Kurs auf die Kunsan Air Base. Dieser unbeschädigt gebliebene Stützpunkt wurde von Fla-Raketen Patriot mit einer maximalen Reichweite von 60 Meilen verteidigt. Also hatte jetzt ein Wettfliegen begonnen, bei dem sie versuchen mussten, unter den Schutzschild der Patriot zu kommen, bevor die nordkoreanischen MiGs heran waren.
»Crew, hier Echo, ich habe einen feindlichen ESM-Kontakt bei elf Uhr, fünfzig Meilen. Und noch ein russisches Radar - sieht nach weiteren MiG-29 über Südkorea aus.« Damit hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: die Nordkoreaner hatten ihren Gegenangriff begonnen und waren dabei schon bis tief in den Süden der Halbinsel vorgestoßen. Ihre MiG-29 würden den Himmel so gut von feindlichen Jägern säubern, dass die große, aber schon ältere und weniger kampfstarke Jagdbomberflotte des Nordens die Ziele im Süden angreifen konnte, die bei dem Raketenüberfall verschont geblieben waren.
»Sofort runter mit dieser lahmen Ente, Pilot!«, rief der Chefcontroller über die Bordsprechanlage. Das AWACS-Flugzeug hatte Störsender und ECM-Köder an Bord, aber tagsüber und bei guter Sicht brauchten feindliche Jäger keine elektronischen Sensoren, um eine große E-3C abzuschießen. Dafür hätte selbst der älteste nordkoreanische Jäger in den Händen eines jungen, unerfahrenen Piloten genügt. Eine MiG-29 mit ihrer überragenden Wendigkeit und Nahkampfstärke konnte ein AWACS-Flugzeug im Vorbeiflug abschießen, fast ohne ihren Kurs ändern zu müssen.
»Bandit bei elf Uhr, vierzig Meilen... Bandit bei sechs Uhr, fünfundvierzig Meilen... elf Uhr, dreißig Meilen... sechs Uhr, dreißig Meilen... Achtung, Crew, Ausweichmanöver folgt... elf Uhr, zwanzig Meilen... sechs Uhr, zwanzig Meilen... Bandit zwölf Uhr, Lenkwaffenstart, Lenkwaffenstart! Pilot, links wegkurven!«
Während die Maschine in steiler Linkskurve sank, drückte der ECM-Offizier auf einen Knopf, um ganze Düppelwolken zur Täuschung des gegnerischen Radars auszustoßen. Das war ein Akt der Verzweiflung, mehr nicht. Ein großes AWACS-Flugzeug E-3C konnte nicht schnell genug wegkurven, um eine Jagdrakete auszumanövrieren. Aber sie konnten versuchen, der Erfassung durchs Radar der feindlichen Jäger lange genug zu entgehen, bis Hilfe aus Kunsan oder Taegu kam. Das war ihre einzige Hoffnung...
»Bandit sechs Uhr, fünfzehn Meilen, Zielsuchradar, Lenkwaffenstart, Lenkwaffenstart!«, rief der ESM-Offizier laut. Beide MiGs schossen Jagdraketen ab... beide hatten die E-3C mit ihrem Zielsuchradar erfasst...
Dann war die nordkoreanische MiG-29 hinter ihnen plötzlich verschwunden; Sekunden später verschwand auch die MiG vor ihnen. »Pilot, Horizontalflug!«, wies der ESM-Offizier ihn an, indem er wieder Düppelwolken ausstieß. »Crew, Kontakt mit beiden Banditen ist negativ. Achtung, weitere Ausweichmanöver folgen.«
Dafür gab es nur eine mögliche Erklärung: Sie mussten in den Erfassungsbereich des Infrarot-Zielsuchsystems der beiden nordkoreanischen MiG-29 geraten sein. Benutzte der Pilot sein IR-Zielsuchsystem, brauchte er kein Radar, um Ziele zu finden und anzugreifen. Hinweise auf einen Angriff konnte jetzt nur noch das Heckwarnsystem des AWACS-Flugzeugs geben, dessen IR-Sensoren anfliegende Jäger, aber auch die Flammenzunge des Raketentriebwerks bei Lenkwaffenstarts entdeckten.
»Kontakt!«, meldete der Pilot. »Ich habe einen Banditen bei zwölf Uhr, hoch!«
»Drauf zuhalten, Pilot!«, wies der ESM-Offizier ihn an. »Achtung, Ausweichmanöver folgen!«
»Er schließt zu uns auf!«, rief der Pilot. »Er kommt immer näher. Scheiße, jetzt hat er uns im Visier, zwölf Uhr, drei Meilen...«
Dann verstummte er plötzlich.
»Pilot, wo ist er?«, fragte der ESM-Offizier. »Wo ist er jetzt?
Können Sie ihn sehen?«
»Er ist... er ist links von uns, Entfernung... Entfernung ungefähr eine Viertelmeile«, sagte der Pilot. »Mein Gott, das ist ein japanischer
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