Lautlose Jagd
alle die Schuld am Tod der beiden Männer.
Als das allgemeine Schweigen peinlich zu werden begann, wandte Rebecca Furness sich an die Systemoffiziere und Simulator-Operatoren hinter ihnen und sagte: »Lässt uns bitte einen Augenblick allein, Jungs.«
Seaver stemmte sich aus dem Pilotensitz hoch. »Wenn Sie mich kurz entschuldigen, Boss, gehe ich schnell mal austreten; danach stelle ich die Simulatordaten zusammen und gebe sie ans Air Combat Command weiter. Wir müssen unseren Befund von unabhängiger Seite bestätigen lassen, bevor wir ihn der Unfalluntersuchungsstelle zuleiten können.«
»Sie wollen Ihren eigenen Arsch retten, indem Sie den Toten die Schuld geben, was, Seaver?«, fragte Long halblaut, aber doch so laut, dass die anderen Staffelangehörigen ihn verstehen mussten. Furness runzelte unwillig die Stirn.
Der Pilot ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn diese Unterstellung verletzte. »Der Unfall ist nun mal passiert, John«, sagte er lediglich. »Durch ein technisches Versagen. Das lässt sich nachweisen.« Die Mienen der anderen blieben jedoch skeptisch.
Eine halbe Minute später waren Furness und Long mit Seaver allein. »Sie sind also heute beim Fliegerarzt gewesen?«, fragte Furness. »Was hat er gesagt?«
Seaver zog ein Blatt Papier aus der Tasche und faltete es stolz auseinander. »Er hat mich flugtauglich geschrieben«, berichtete er. »Ich weiß, dass unsere Staffel sich auf die Einsatz-Zertifizierung vorbereitet. Mir ist natürlich klar, dass ich viel nachholen muss, aber ich weiß, dass ich rechtzeitig wieder in Übung sein kann, um mich mit dem Rest der Staffel wieder zu qualifizieren.«
Furness schüttelte missbilligend den Kopf, als sie das Flugtauglichkeitszeugnis las. Der Fliegerarzt hatte Seaver uneingeschränkt flugtauglich geschrieben, obwohl der Pilot noch Krankengymnastik machen musste. Normalerweise bedeutete diese Bestätigung, dass ein Besatzungsmitglied keine Medikamente mehr erhielt und offenbar nicht an emotionalen oder psychologischen Folgen des Absturzes litt. Für Seaver war noch wichtiger, dass er mit dieser Bescheinigung in der Hand wieder für die Einsatz-Zertifizierung üben durfte.
Die Einsatz-Zertifizierung war der beste Maßstab für die Kampfbereitschaft einer Staffel. Die Bomberstaffeln der Air National Guard waren nur »Ersatzeinheiten«, keine ständig alarmbereiten Staffeln der ersten Linie. Wurden die Bomber gebraucht, würde ihre Staffel, die sonst dem Chef des Verwaltungsamts der Nevada National Guard unterstand, der U.S. Air Force unterstellt und einem aktiven Bombergeschwader »zugeschlagen« werden.
Die Besatzungen würden ihre Maschinen auf den künftigen Einsatzstützpunkt, der in den Vereinigten Staaten oder in Übersee liegen konnte, überführen müssen, und die Besten konnten damit rechnen, tatsächlich Einsätze zu fliegen, wenn Mangel an USAF-Besatzungen herrschte. Um zu beweisen, dass sie zur vollen Integration in die Air Force taugte, wurde die Staffel jährlich zweimal auf die Ellsworth AFB in South Dakota oder die Dyess AFB in Texas verlegt, um in einer 14-tägigen anstrengenden Übung ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Wer dabei durchfiel, musste damit rechnen, aus der Staffel entlassen zu werden. Fielen zu viele Besatzungen durch, konnte die ganze Staffel außer Dienst gestellt werden. Die 111th Bomber Squadron war bereits mit einem dicken Minuspunkt belastet: Seavers Absturz. Versagte bei der Einsatz-Zertifizierung auch nur eine einzige Besatzung, konnte dies das Ende der Staffel bedeuten.
Furness wechselte einen Blick mit Long, bevor sie Seaver das Blatt Papier zurückgab. »Sie wissen, dass Sie nicht zum Fliegerarzt gehen dürfen, um sich Ihre Flugtauglichkeit bescheinigen zu lassen, ohne zuvor meine Erlaubnis einzuholen«, erklärte sie dem Piloten.
Seaver kniff irritiert die Augen zusammen. »Nein, das hab ich nicht gewusst, Boss. Diese Information muss ich unter ›Ist mir doch scheißegal‹ abgelegt haben, falls ich sie jemals bekommen habe.«
»Seien Sie kein Klugscheißer, Seaver.«
»Aber ich bin nicht zum Doc gegangen, um mir irgendwas bescheinigen zu lassen - ich war wegen einer Routineuntersuchung bei ihm. Er hat gefragt, wie ich mich fühle, mich auf Herz und Nieren untersucht und dann gesagt, seiner Ansicht nach könnte ich wieder fliegen. Er hat mir dieses Tauglichkeitszeugnis ausgestellt.
Ich hab ihn nicht darum gebeten. Wenn Ihnen das nicht passt, ist das sein Problem, nicht meines.« Seaver
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