Lautlose Jagd
Personen Platz - in diesem Fall nur zwei Männern, nachdem sie die sechs großen Kartons in einer Ecke aufgestapelt hatten. Leutnant An versteckte Maschinenpistole und Rucksack unter seinem Poncho und quetschte sich mit Major Hong in die winzige Kabine.
Für die Fahrt zu dem zehn Meter tiefer gelegenen Befehlszentrum brauchte der Aufzug fünf Minuten. Er war absichtlich so konstruiert, um einen massiven, schnellen feindlichen Überfall zu verhindern.
Als die Lifttür sich fünf Minuten später öffnete, starrte Leutnant An in einen Raum, von dem er niemals geglaubt hatte, dass er ihn jemals zu sehen bekommen würde: die Befehls- und Koordinierungszentrale der nordkoreanischen Volksarmee. Von diesem Raum aus wurde die gesamte Kriegsmaschinerie des Nordens befehligt. Es war aufregend, hier zu sein - und zugleich ein wenig enttäuschend. Die Zentrale war weit dunkler, düsterer und übel riechender, als Major Hongs Geheimberichte hatten erwarten lassen.
»Leutnant«, sagte Major Hong mit scharfer, diensteifriger Stimme, »Sie bringen die beiden oberen Kartons sofort in die Küche.«
»Jawohl, Genosse Major.« An konnte nur hoffen, dass dies eine List oder ein Ablenkungsmanöver war, denn er hatte keine Ahnung, wo die Küche lag. Er hob die beiden schweren Kartons von dem Stapel...
... und als er eben den ersten Schritt machte, spürte er, dass im Boden des unteren Kartons ein Riss entstand; dann platzte der Karton ganz auf, sodass Beutel mit Reis, Speiseöldosen, Trockenfleisch, Teepackungen und weitere Lebensmittel im Aufzug landeten. Zwei Öldosen wurden leck, und die aufplatzenden Reisbeutel ergossen ihren Inhalt in die Aufzugkabine, deren Boden sofort mit einer schmierigen Mischung aus Reis und Speiseöl bedeckt war.
»Leutnant, was zum Teufel machen Sie da?«, brüllte Hong. Der nordkoreanische Major warf sich herum und schlug An mit dem Handrücken ins Gesicht. »Idiot! Können Sie nicht mal den einfachsten Auftrag ausführen, ohne eine Katastrophe zu verursachen?«
»Was geht dort drüben vor, Major?«, fragte eine Stimme aus der Düsternis.
Hong machte kehrt und verbeugte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. »Ich bitte um Entschuldigung, Genosse Vizemarschall Kim«, antwortete er. »Mein tollpatschiger Untergebener hat ein paar Lebensmittel in den Aufzug gekippt.
Aber es dauert nur einen Augenblick, dann ist alles wieder sauber.«
»Falls irgendwelche Elektronikteile beschädigt sind, Major«, sagte eine andere Stimme, »ziehe ich Sie persönlich zur Verantwortung.«
»Sie scheinen unbeschädigt zu sein, Genosse General Cho«, beteuerte Hong eifrig.
»Ganz ruhig, General«, forderte Kim ihn auf. »Wir stehen alle unter gewaltigem Stress. Lassen Sie den Aufzug sofort sauber machen, Major. Wir können es uns nicht leisten, unseren einzigen Zugang allzu lange blockiert zu lassen. Und es ist kein Merkmal eines guten Kommandeurs, einen Untergebenen zu schlagen, auch wenn er noch so sehr unter Stress steht. Beherzigen Sie das nächstes Mal.«
»Jawohl, Genosse Vizemarschall«, sagte Hong. »Leutnant, aus dem Weg mit Ihnen!«
Leutnant An schluckte trocken, als er den Aufzug ve rließ und sich bereithielt, den Major auf jede gewünschte Weise zu unterstützen. Ihm war bewusst, dass Hong mit Vizemarschall Kim Ungtae, dem Kommandeur der Artilleriestreitkräfte, gesprochen hatte. Vizemarschall Kim unterstanden alle nordkoreanischen Lenkwaffen, ballistischen Raketen, Fla-Lenkwaffen, Flakbatterien, Küstengeschütze und Lenkwaffen zur Bekämpfung von Schiffszielen. Außerdem war er für alle ABC-Gefechtsköpfe verantwortlich, die mit Raketen, Lenkwaffen oder Artillerie verschossen werden konnten. Über diesem drittmächtigsten Mann der nordkoreanischen Streitkräfte standen nur noch Marschall Chang Song-u, der die Volksarmee befehligte, und der Oberbefehlshaber und Geliebte Führer, Präsident Kim Jong-il.
Der andere Mann war vermutlich Generalleutnant Cho Myong-nok, der Chef des Generalstabs der Luftwaffe der Volksarmee. General Cho unterstanden etwa ein Fünftel der Massenvernichtungswaffen, über die Nordkorea verfügte - die Bewaffnung seiner Bomber und Jagdbomber. Gemeinsam befehligten diese beiden Männer vier Fünftel der gefährlichsten Waffen Nordkoreas. Sie besaßen einen der beiden Schlüssel, die erforderlich waren, um diese Massenvernichtungswaffen einsetzen zu können; der Geliebte Führer Kim Jong-il besaß den anderen.
Nach allgemeiner Überzeugung waren Vizemarschall Kim
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