Lautloses Duell
habe?«
»›Die Rache des Hackers hat einen langen Atem.‹ Na und?«
»Ich möchte dich mit diesem Gedanken zurücklassen. Ach ja, noch etwas … Hast du jemals Mark Twain gelesen?«
Gillette runzelte die Stirn, antwortete aber nicht.
Phate fuhr fort: »
Ein Yankee aus Connecticut an König Arthurs Hof.
Nicht? Das Buch handelt von einem Mann, der aus dem neunzehnten Jahrhundert ins mittelalterliche England verfrachtet wird. Da gibt es diese absolut geile Szene, in der der Held oder sonst wer irgendwo im heißem Wasser sitzt, und die Ritter wollen ihn töten, irgendwie so.«
»Jon, leg die Handschellen an.« Gillette streckte drohend den Arm mit der Pistole aus.
»Aber dann passiert etwas total Abgefahrenes … das ist echt gut. Er hat nämlich einen Almanach dabei, und in dem schlägt er nach, welcher Tag gerade ist, ich weiß nicht mehr genau, erster Juni tausendsechsundsechzig oder so, und er sieht, dass damals, an jenem Tag, eine absolute Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Also erzählt er den Rittern, wenn sie sich nicht zurückziehen, verwandelt er den Tag in stockfinstere Nacht. Natürlich glauben sie ihm kein Wort, aber dann kommt die Sonnenfinsternis, alle kriegen total die Panik, und der Held ist gerettet.«
»Und?«
»Ich hatte schon so halb damit gerechnet, dass ich hier irgendwie in heißes Wasser gerate.«
»Und weiter?«
Phate erwiderte nichts. Aber kurz darauf wurde klar, was er damit meinte – als der Virus, den Phate in den Computer der Stromgesellschaft geladen hatte, exakt um 12 Uhr 30 die Stromversorgung der gesamten CCU lahm legte.
Der Raum versank in Dunkelheit.
Gillette machte einen Satz nach hinten, hob Backles Pistole und blinzelte in die Dunkelheit. Phates kräftiger Faustschlag erwischte ihn am Hals und betäubte ihn. Dann stieß er Gillette mit der Schulter gegen die Cubicle-Wand, woraufhin er zu Boden ging.
Gillette hörte ein Klingeln, als Phate die Schlüssel und seine anderen Sachen vom Schreibtisch nahm. Gillette griff suchend nach oben, versuchte, die Brieftasche zu erwischen, doch Phate hatte sie bereits an sich genommen, und alles, was Gillette noch fand, war der Diskman. Ein betäubender Schmerz durchfuhr ihn, als Phate den Schraubenschlüssel gegen sein Schienbein schmetterte. Gillette richtete sich taumelnd auf, hielt Backles Pistole in die Richtung, in der er Phate vermutete, und drückte ab.
Aber nichts geschah. Offensichtlich war sie noch nicht entsichert. Noch während er an der Waffe herumfummelte, traf ihn ein Tritt am Unterkiefer. Die Pistole entfiel seiner Hand, und er ging abermals zu Boden.
V EXPERT LEVEL
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Hacker und Phreaker loszuwerden. Die eine ist, sich von Computern und Telefonen gänzlich zu verabschieden (…) Die andere ist die, uns das zu geben, was wir wollen, und das ist freier Zugang zu SÄMTLICHEN Informationen. Bis nicht eines von beiden geschieht, werden auch wir nicht von der Bildfläche verschwinden.
Ein unter dem Namen ›Revelation‹ bekannter Hacker in
Die ultimative Einführung
ins Hacking und Phreaking
35 Kapitel 00100011
»Alles in Ordnung?«, fragte Patricia Nolan mit einem besorgten Blick auf das Blut in Gillettes Gesicht, an seinem Hals und auf seinen Hosen.
»Alles klar«, antwortete er.
Sie glaubte ihm nicht und spielte die Krankenschwester, verschwand in der Kaffeeküche und kam mit feuchten Papiertüchern und flüssiger Seife zurück. Sie tupfte vorsichtig über die Wunden an seiner Augenbraue und auf der Wange, wo die Haut nach dem Kampf mit Phate aufgerissen war. Er roch den frischen Nagellack ihrer kräftigen Finger und wunderte sich, wann sie in all dem Trubel nach Phates Attacken auf das Krankenhaus und die CCU noch Zeit für Kosmetik gefunden hatte.
Sie forderte ihn auf, sein Hosenbein hochzuziehen, und säuberte den kleinen Riss auf seinem Knie, wobei sie eine Wade gut festhielt. Als sie alles erledigt hatte, lächelte sie ihn mitfühlend, fast innig an.
Meine Güte, Schätzchen … Ich bin ein Sträfling, ich bin arbeitslos, und ich bin in eine andere Frau verliebt. Ich sag dir, die Mühe lohnt sich nicht.
»Tut das weh?«, erkundigte sie sich und drückte das feuchte Tuch auf den Riss.
Es brannte wie tausend Bienenstiche. »Juckt nur ein bisschen«, antwortete er in der vagen Hoffnung, ihrer unbarmherzigen Fürsorge damit den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Tony Mott kam hereingerannt und schob seine klobige Waffe ins Holster. »Nichts von ihm zu sehen.«
Shelton und
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