Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
Licht.
Es war ja nicht so, als hätten sie noch keinerlei Intimitäten ausgetauscht, dachte sie. Immerhin waren sie ja auch Geschäftspartner. Und dann war da ja auch noch der Kuss in ihrem Arbeitszimmer gestern, obwohl sie sehr angestrengt versuchte, nicht an das leidenschaftliche Zwischenspiel zu denken.
»Was zum Teufel ist nur los mit Ihnen?« Tobias' Augen blitzten belustigt auf. »Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass diese Ausstellungsstücke Ihnen an die Nerven gehen. Ich hätte nicht geglaubt, dass Sie ein Mensch sind, den dunkle Vorstellungen ausgerechnet in einem Wachsmuseum überfallen.«
Es war der Zorn, der ihr wieder neue Kraft gab. »Meine Nerven befinden sich in einem ausgezeichneten Zustand, danke. Ich bin ganz sicher kein Mensch, der sich durch Ausstellungsstücke wie diese hier beeinflussen lässt.«
»Nein, natürlich sind Sie das nicht.«
»Es ist nur so, dass ich keinen Grund sehe, hier herumzustehen und auf einen unhöflichen Besitzer zu warten, der sich nicht einmal die Zeit nimmt, mit zwei Menschen zu sprechen, die gutes Geld bezahlt haben, um sich eine Eintrittskarte für diese schrecklichen Attraktionen zu kaufen.«
Am Ende eines Ganges kamen sie zu einer schmalen, gewundenen Treppe, die nach oben führte.
»Ich frage mich, was Mr Huggett wohl dort oben zeigt.«
Ein leises Geräusch in der Dunkelheit hinter ihr ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben. Eine Stimme zischte kaum hörbar: »Die Ausstellung oben ist nur für Gentlemen.«
Lavinia wirbelte herum und blickte in den halbdunklen Raum.
In dem schwachen, flackernden Licht, das eine Mordszene in der Nähe erhellte, erkannte sie einen großen, skelettdürren Mann.
Die Haut seines Gesichtes spannte sich straff über seinen Knochen. Seine Augen lagen tief. Jeder Anflug von Wärme, der vielleicht früher einmal darin gelegen hatte, war schon vor langer Zeit ausgelöscht worden.
»Ich bin Huggett. Man sagte mir, dass Sie mit mir sprechen möchten.«
»Mr Huggett«, sagte Tobias. »Ich bin March, und dies ist Mrs. Lake. Wir sind dankbar, dass Sie Zeit haben, mit uns zu sprechen.«
»Was wollen Sie von mir?«, krächzte Huggett.
»Wir möchten Ihre Meinung über eine ganz bestimmte Wachsarbeit«, erklärte Tobias.
»Wir versuchen, den Künstler zu finden, der sie gemacht hat.« Lavinia hielt ihm die kleine Todesszene hin, die sie aus dem Tuch gewickelt hatte. »Wir haben gehofft, dass Sie vielleicht den Stil oder eine andere Besonderheit der Arbeit erkennen würden.«
Huggett warf einen Blick auf das Bild. Lavinia betrachtete sein totenkopfähnliches Gesicht sorgfältig. Sie war beinahe sicher, dass sie ein schwaches Aufblitzen des Wiedererkennens darin entdeckt hatte, doch schon im nächsten Augenblick war es wieder verschwunden. Als Huggett aufblickte, war sein Gesicht bar jeden Gefühls.
»Ausgezeichnete Arbeit«, krächzte er. »Aber ich glaube nicht, dass ich den Künstler kenne.«
»Die Art der Darstellung würde in Ihr Museum passen«, meinte Tobias.
Huggett deutete mit knochigen Fingern in den Raum. »Wie Sie sehen, stelle ich lebensgroße Statuen aus, keine kleinen Bilder.«
»Wenn Ihnen der Name noch einfallen sollte, nachdem wir weg sind, bitte schicken Sie mir doch eine Nachricht an diese Adresse.« Tobias reichte Huggett eine Karte. »Ich kann Ihnen versichern, es wird Ihr Schaden nicht sein.«
Huggett zögerte, doch dann nahm er die Karte. »Wer wäre bereit, für eine solche Information zu zahlen?«
»Jemand, der sehr gern die Bekanntschaft des Künstlers machen würde«, antwortete Tobias.
»Ich verstehe.« Huggett zog sich in sich selbst zurück und verschwand dann in der Dunkelheit. »Ich werde über die Sache nachdenken«, versprach er noch.
Lavinia machte einen Schritt nach vorn. »Mr Huggett, noch eine Sache, wenn Sie nichts dagegen haben. Sie haben noch nicht erklärt, was es mit der Ausstellung oben auf sich hat. Was für Ausstellungsstücke zeigen Sie dort?«
»Ich sagte Ihnen doch, nur Gentlemen ist der Zugang erlaubt«, flüsterte Huggett. »Die Ausstellungsstücke oben sind für eine Dame nicht angemessen.«
Er verschwand in den Schatten, ehe sie noch weitere Fragen stellen konnte.
Lavinia warf einen Blick zu der Treppe. »Was glauben Sie, was er dort oben zeigt?«
»Ich denke, wenn Sie diese Treppe hinaufgehen«, meinte Tobias, »dann werden Sie eine Ausstellung nackter Wachsfiguren in erotischen Aktszenen sehen.«
Lavinia blinzelte. »Oh.« Sie warf noch einen Blick zu der
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