Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
wenn sie nicht aufhört, Fragen zu stellen?«
»Nein.« Trotz seiner tiefen Trance wurde Ned plötzlich sehr lebhaft. »Ich bin kein Mörder. Aber das darf die Frau nicht wissen. Sie ist meine erste Kundschaft und ich möchte sie nicht verlieren. Ich sage ihr, dass ich es tun werde, wenn es sein muss. Sie glaubt mir. Ich sehe es ihr an.«
»Beruhige dich, Ned.« Lavinia sagte es rasch. »Beobachte das helle Licht, das auf dem Anhänger tanzt, und lass dich ganz schwer werden.«
Ned entspannte sich sichtlich und verfiel wieder in die Tiefen der Trance.
»Wie hat dich die Frau gefunden, die dir den Auftrag gab?«, fragte Lavinia.
»Sie hatte sich umgehört. Jemand sagte ihr, ich sei der Mann, den sie suche.«
»Wie hättest du wieder Kontakt mit ihr aufgenommen, um den Rest des Geldes zu bekommen?«, fragte Lavinia.
»Sie sagte, sie würde mich finden wie beim ersten Mal.«
Lavinia sah Tobias an. Er gab ihr mit einem kurzen Kopfschütteln zu verstehen, dass er keine Fragen an Ned mehr hätte.
»Hol ihn aus der Trance zurück«, murmelte er.
Sie wandte sich wieder Ned zu. »Du wirst aufwachen, wenn ich mit den Fingern schnalze, und du wirst dich an dieses Gespräch nicht erinnern.«
Sie schnalzte mit den Fingern.
Ned blinzelte eulenhaft und war sofort voll bei Bewusstsein. Wieder schimmerte Angst in seinen Augen. Er entzog Lavinia sofort seine Aufmerksamkeit und richtete sie auf Tobias.
»Wenn Sie mich laufen lassen, Sir«, sagte er ernst zu Tobias und setzte das Gespräch fort, ohne von dessen Unterbrechung etwas zu ahnen, »schwöre ich, dass ich mich dieser Dame nie wieder nähern werde. Bei meiner Ehre als Profi.«
»Profi wofür?«, fragte Tobias trügerisch sanft. »Als professioneller Frauenschreck?«
»Ich schwöre, dass ich ihr kein Haar krümmen werde.«
»In diesem Punkt hast du Recht«, pflichtete Tobias ihm bei. »Dreh dich um, Ned.«
Ned fuhr auf. »Was wollen Sie mit mir machen? Wenn Sie mich laufen lassen, verspreche ich, dass ich nie mehr solche Aufträge annehme.«
Tobias holte aus einer der tiefen Taschen der alten Hose, die er trug, einen langen schmalen Lederriemen. »Ich sagte, du sollst dich umdrehen und die Hände nach hinten tun.«
Ned sah aus, als wollte er heulen, ergab sich aber ins Unausweichliche und kam der Aufforderung zögernd nach.
Tobias fesselte ihn, indem er das Leder einige Male energisch um die Handgelenke schlang. »Auf die Beine.«
Ned kämpfte sich langsam hoch, das Gesicht vor Verzweiflung verzerrt. »Werden Sie mich der Polizei übergeben? Dann können Sie mir gleich ein Messer in den Leib jagen, damit ich es wenigstens hinter mir habe. Man wird mich sicher hängen.«
Tobias fasste nach seinem Arm. »Nein, wir gehen nicht zur Polizei in die Bow Street.« Er sah Lavinia an. »Wir drei gehen jetzt bis zur Ecke. Ich werde für dich eine Droschke holen und dich in die Claremont Lane schicken. Warte dort auf mich.«
Sie zögerte. »Was wird aus Ned?«
»Den überlass mir.«
Ihr gefiel sein Ton ebenso wenig wie Ned. Tobias' Miene war undurchdringlich.
»Er ist doch nur ein Junge«, brachte sie leise vor.
»Nein, kein Junge, sondern ein junger Mann auf bestem Weg, ein abgefeimter Schurke zu werden, der beim nächsten Auftrag vielleicht entdeckt, dass auch Mord nicht jenseits der Grenzen des Erlaubten ist.«
»Nein, niemals«, warf Ned hastig ein. »Ich bin kein Meuchler. Ich bin ein Dieb, aber kein Mörder.« »Tobias, ich glaube, er wollte mich wirklich nur erschrecken«, sagte Lavinia.
»Ich übernehme ihn.« Tobias schob Ned zur Einmündung des Weges. »Gehen wir. Ich muss heute noch einige andere Dinge erledigen. Ich habe keine Zeit zu verlieren.«
Er würde dem jungen Ned nichts Böses antun, beruhigte sie sich. Tobias war zwar in gefährlicher Stimmung, aber wie immer Herr seiner selbst.
Manchmal musste man seinem Partner blind vertrauen.
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Kapitel 21
V ale beobachtete Joan, die seine Sammlung kostbarer alter Vasen und Steinsarkophage besichtigte. Vor einem Glasschrank, in dem Halsbänder mit verschiedenfarbigen Edelsteinen zur Schau gestellt waren, blieb sie stehen. Die durch ein nahes Fenster einfallende Sonne brachte ihr modisch frisiertes Haar zum Leuchten und verlieh ihm eine Farbe, die mit dem alten römischen Gold in der Schmuckvitrine wetteiferte.
Ihr klassisches Profil wäre einer griechischen Götterstatue würdig gewesen, dachte er. Doch war es nicht ihr Aussehen, das ihn anzog. Es gab unzählige jüngere Frauen,
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