Lea - Untermieterin bei einem Vampir
nicht darüber nachdenken, was grundsätzlich richtig oder falsch war. Ich wollte mir nicht das Hirn zermartern, was die Zukunft brächte. Aber im Hier und Jetzt und Heute, im gegenwärtigen Moment, wollte ich nichts mehr, als Tom nachzulaufen, mich zu entschuldigen und seinen Geburtstag zu feiern. Denn es war ein toller Tag; ohne seine Geburt gäbe es ihn nicht. Und er würde mir fehlen, wenn er nicht da wäre. Auch ich hatte also etwas zu feiern. Ganz gleich, ob in mir ein Unwetter an Unklarheiten herrschte, aber ich war froh, dass es Tom gab. Ich wollte nicht nur wieder in einer Alternativwelt passieren lassen, was ich in meinem wirklichen Leben gern geschehen ließe.
Also schnappte ich mir meine Sachen und begab mich ins Lonestar.
Kyle hatte mir immer gezeigt, wie wichtig Geburtstage waren. Er hatte mich jede Sekunde geliebt und mir einen Weg gewiesen, wie man diesem besonderen Anlass huldigte. Ich würde bestimmt nicht für Tom dichten. Das konnte ich gar nicht. Ich war mit Reimen so geschickt wie mit Tellern auf Stöcken zu kreiseln. Ich hatte die besondere Gabe, alles kaputt zu machen und einen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Aber nicht heute. Toms gute Laune war zerborsten und zersplittert, aber wofür verdammt gab es Pattexkleber? Was mit Geschirr ging, funktionierte auch mit Gefühlen. Und ich wusste genug über Tom, um zu wissen, dass er es mich gern in Ordnung bringen ließe, wenn ich ihm nur die Chance dazu gäbe. Er wollte mir ganz einfach verzeihen, weil er mich mochte. Und dafür mochte ich ihn. Sarah hatte am Strand zu mir gesagt, dass nichts so kaputt sein konnte, dass man es nicht wieder gerade bekam.
Jetzt stand ich also im Lonestar und die Melodie eines Schmusesongs schlug mir entgegen. Ich fand ein buntes Plakat, das besagte, dass heute nur alte Balladen gespielt würden. Ich wusste nicht, ob Tom das gewusst hatte. Aber es war nett hier und auf der Tanzfläche kuschelten andächtig die verschiedensten Pärchen im schummrigen Discolicht.
Unter den Klängen von Duran, Durans Ordinary World erspähte ich Tom an der Bar. Er blickte kummervoll und introvertiert in sein Caipirinhaglas. Die melancholische Musik machte es wohl kaum besser. Er saß allein da. Es war das traurigste und einsamste Bild eines Geburtstages, das ich je gesehen hatte. Wenn seine Familie, mit der er den Tag fröhlich verbracht hatte, ihn nun so verloren erblicken würde, wären sie entsetzt. Sie dachten sicher, dass er sich einen schönen Abend mit mir machte. Wenn Kyle wüsste, was lief, würde er nur den Kopf schütteln, seufzen und „Ach Bunny“ sagen. Wenn Sarah im Bilde wäre, würde sie mich schütteln und Tom sagen, wie unsäglich unmöglich ich mich benahm. Zum Glück wälzte sich Sarah gerade mit Kyle durch die Laken. Zum Glück waren seine Eltern nicht anwesend, um zu erkennen, dass Tom nicht die schöne Beziehung lebte, die er sich eingekauft hatte. Es war ein Glück, dass keiner, der ihn liebte, ihn leiden sehen musste und es war gleichermaßen mein Glück, dass niemand mich dafür hasste.
Doch Tom selbst wusste was los war. Einmal mehr hatte ich ihm das Gefühl gegeben, wertlos zu sein. Seine Standpauke auf Miles’ Party hatte er mir leider nicht umsonst gehalten.
Ich trat an ihn heran und legte ihm meine Hand auf die Schulter. Er blickte überrascht auf, hatte mich nicht kommen sehen und ganz gewiss auch nicht mit mir gerechnet. Seine schönen Augen hefteten sich mit der Trübsal eines endlosen Regengusses als schwere Last auf mich.
„ Warum ist alles so kompliziert, Lea?“, fragte er mich mit einer ergreifenden Traurigkeit. Tom war eigentlich nicht anfällig für Schwermut und so sah ich ihn erschrocken an. Ich hatte ihn mehr als nur deprimiert, ich hatte ihn erdolcht. Mein Herz war wie zugeschnürt.
„ Es tut mir leid, Tom. Ich hatte einen furchtbaren Tag. Ich hätte in meiner Stimmung jeden vernichtet. Es hätte nicht dich treffen dürfen. Gott Tom, du kannst wirklich nichts dafür. Ich bin so zerrissen.“
Er sah mich mit seinen dunklen Augen an.
„Ich weiß nie, woran ich bei dir bin oder was ich deiner Meinung nach verdiene.“
Meine Hand strich von seiner Schulter über seinen Hals hinauf zu seiner Wange.
„ Das hattest du auf keinen Fall verdient. Ich weiß auch nicht, warum ich das immer tue. Ich kann mich selbst nicht leiden dafür und will auch gar nicht so sein. Gestern war ein traumhafter Tag. Ich… weißt du Tom, ich habe die schöne Zeit wirklich genossen. Unsere Sahneschlacht,
Weitere Kostenlose Bücher