Lea - Untermieterin bei einem Vampir
froh darüber, gestern doch noch eine ausgesprochen löbliche Version einer festen Freundin gemimt zu haben. Hätte ich das Gespräch entsprechend der Seifenopernabende, peinlicher Kosmetikstudiokontakte und äh... noch betrüblicherer Details weiter aus dem Ruder laufen lassen, würde Tom mich gewiss nicht für meinen Vorschlag in Erwägung ziehen. Doch nach seinem Klartextauftritt in der Rumpelkammer war ich zu Hochform aufgelaufen und hatte eine Paraderolle geboten.
Darauf konnte ich aufbauen. Seine Mutter hatte gemeint, ich solle öfter vorbeikommen. Offensichtlich mochte sie mich, sie hatte sogar behauptet, wir würden gut zusammenpassen. Also bitte, welcher Test war eigentlich schwerer, als sozusagen der Schwiegermutter zu gefallen? Es war bekannt, dass Mütter an die Frauen im Leben ihrer Söhne eine eifersüchtig hohe Messlatte an den Tag legten. Doch Jenny war äußerst erfreut über mich.
Ich grinste fröhlich, als ich vor unserer Wohnungstür stand und aufsperrte. Das Wetter war herrlich draußen, aber der kühle Flur des Treppenhauses tat gut. Ich ging hinein und ließ meinen Rucksack achtlos auf den Boden fallen. Für den Moment hatte ich ein Déjà-vu-Erlebnis. Doch Tom baute sich nirgends mit verschränkten Armen vor mir auf und proklamierte, dass ich Zahlungsrückstände hätte. Puh. Ein neuer Tag ist so eine wunderbare Möglichkeit, frei von Fehlern neu zu beginnen.
„Tom? Bist du da?“, rief ich, während ich meine Flipflops von den Füßen schleuderte.
„ Arbeitszimmer“, rief er.
Ich schüttelte grinsend den Kopf. Ja, wie herrlich diese Studentenbude für mich doch war. Hier gab es mehr als ein Zimmer, nirgendwo huschten Wanzen durch die Gegend, geräumige Gemütlichkeit soweit das Auge reichte zu einem fairen Preis. Und sogar den wollte ich drücken, denn ich beabsichtigte, eine nicht monetäre Entlohnung zu vereinbaren.
Ich fand Tom an seinem Schreibtisch sitzend. Er büffelte für sein Medizinstudium. Der Gute wollte ausgerechnet Zahnarzt werden. Wenn man etwas oft genug vor Augen hatte, konnte einen das schon nachhaltig beeinflussen. Und Tom starrte dem Angesicht seiner Prachtzähne jedes Mal entgegen, wenn er an einem Spiegel vorbeikam.
Er blickte von seinen Büchern auf und lächelte.
„Sarah hat vorhin angerufen“, sagte er nun.
Sarah war meine beste Freundin. Sie könnte sich mit Tom zusammentun, denn sie studierte Pharmakologie. Zum Glück waren gerade Semesterferien, doch bis zu Tom schien sich das noch nicht herumgesprochen zu haben.
„Oh gut, ich rufe sie gleich zurück. Ich würde nur vorher gern eine Kleinigkeit mit dir besprechen. Wegen gestern...“
Er sah mich überrascht an. Ich glaubte, dass seine Wangen sich leicht röteten.
„Hör mal Lea, wegen dem Kuss und meinen Eltern...“
„ Genau. Du brauchst gar nichts zu sagen, ich habe mir da was überlegt.“
Er runzelte die Stirn.
„Okay?“ Er wirkte unsicher.
„ Ich weiß, das mit den hundert Dollar für einen Kuss ist dir spontan raus gerutscht.“
„ Ja Lea, weißt du...“ Er fummelte an seinen Händen und ich redete einfach weiter.
„ Ich meine, ich erwarte gar nicht, dass du mich für jeden Kuss mit hundert Dollar bezahlst“, fuhr ich fort.
Tom zog seine Stirn kraus. „Was? Lea, ich...“
„Aber ich habe mir überlegt, dass du doch sicher auch weiterhin nicht von deinen Eltern verkuppelt werden willst.“
Er sah mich irritiert an und nickte lahm.
„Schön. Da du mich ihnen nun als Freundin vorgestellt hast und ich wohl auch in nächster Zeit chronische Zahlungsnöte haben könnte, dachte ich mir, wir sollten nach verhandeln.“
„ Was denn genau verhandeln, Lea?“
„ Die Mietkonditionen.“
Ich sah seinen Adamsapfel hüpfen als er schluckte.
„Inwiefern?“ Seine Stimme klang etwas heiser.
„ Ich habe gedacht, dass ich statt zweihundert Dollar monatlich zu zahlen auch einfach zweimal monatlich mit dir als feste Freundin ausgehen könnte, du weißt schon, so Familiensachen mit deinen Eltern. Und wenn du mich ein drittes Mal brauchst, dann bekomme ich so quasi noch von dir... äh... Geld extra.“
Ich strauchelte verbal ein wenig vor mich hin, denn Toms Blick durchbohrte mich. Dann schloss er für einen kurzen Moment die Augen und atmete konzentriert. Ich weiß nicht, was an meinem Angebot so schwer war, aber ich wollte ihn beim angestrengten Denken nicht stören.
„Hast du Geldnot?“, fragte er schließlich.
Sollte ich das offen zugeben? Wenn er wüsste, dass ich auf den
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