Lea - Untermieterin bei einem Vampir
verwundert.
„ Unsere fünf Minuten sind gleich um. Ich freue mich auch, dass es für Ronny so gut läuft, aber ich hatte kaum Gelegenheit, etwas über dich zu erfahren. Wir sollten das mit einem Tanz nachher ausgleichen. Wenn du willst...“ Er sah mich abwartend an. Ich lächelte.
„ Warum auch nicht?“, stimmte ich zu.
„ Sehr gut. Dann muss ich nicht meinen Lebenslauf in fünf Minuten pressen. Das habe ich nun schon dreimal gemacht. Du warst eine angenehme Abwechslung.“
„ Danke.” Gong. “Bis nachher dann, Colin.”
„ Bis dann, Lea.“
Ich lächelte. Man konnte von Speed-Dating halten, was man wollte, aber es war zweifelsohne unterhaltsam, wenn man nicht erwartete, in nur fünf Minuten den Mann fürs Leben zu finden. Solange ich bisher jedes Date nahm wie es kam, machte es Spaß. Und ich hatte noch keinen einzigen von Colins erwähnten langweiligen Lebensläufen abgehandelt. Vielleicht sollte ich dabei bleiben, denn wenigstens die drei Damen vor mir schienen diese akribisch abzuklappern. Damit behielt ich einen Vorteil, wenn es bei mir erfrischend anders lief. Ich dachte darüber nach. Zumindest einen Lebenslauf hatte ich in Auftrag gegeben. Ich würde mir Pinocchios biografische Daten nachher in aller Ausführlichkeit von Sarah besorgen.
Der nächste Rendezvouspartner war Captain Kirk.
„ Hallo. Ich bin Jeremy“, stellte er sich freundlich vor.
Gong.
Jeremy verlor offenbar keine Zeit.
„Ich bin Lea.“ Immer noch. Es war irritierend wie oft ich mich in den letzten Minuten vorgestellt hatte. Diese Art von Fließband-Dates war zugegeben auch ein wenig anstrengend, denn ich musste mich immer wieder neu konzentrieren. Ich hatte zwar noch von keinem erfahren, was er eigentlich machte, aber ich hatte zumindest festgestellt, ob man sich unterhalten konnte, jemand witzig war und ich seine Gesellschaft sympathisch fand. Möglicherweise gingen die Leute es falsch an, wenn sie nur auf der Suche nach dem perfekten Werdegang waren. Was spielte es für eine Rolle, wenn man mit jemandem Essen oder Tanzen ging, ob er einen Doktortitel hatte oder nicht? Schließlich hatte ich selbst so etwas auch nicht vorzuweisen.
Ich war keine klassisch gute Partie. Mein Konto war leer, Adelstitel waren nirgendwo zu finden egal wie tief man unter meinem Stammbaum nach blauen Wurzeln grub, ich fuhr keinen Sportwagen und würde wohl keine grandiose Karriere hinlegen. Zum Glück schaute Mann bei Frauen auf andere Dinge, von denen ich durchaus welche hatte. Ohne mein Zutun sah ich hübsch aus. Ich achtete auf meine Figur, musste aber anders als Männer deswegen nicht Gewichte stemmen. Für eine Frau reichte es, schlank zu sein. Niemand erwartete von mir, dass ich mit meinen Bauchmuskeln hundertzwanzig Kilo drücken konnte. Keiner fand, dass ich später die Familie zu versorgen hätte. Ich brauchte niemandem die Tür aufzuhalten und konnte in gefährlichen Situationen schreiend davonrennen, ohne den Helden spielen zu müssen. Frau zu sein war unbekümmert leicht. Ich dankte dem lieben Gott gründlich dafür, mich zu einer zierlichen Blondine gemacht zu haben.
Es gab Dutzende Studien darüber, dass blonde Menschen besser ankamen, egal wie viele Witze über uns kursierten. Selbst Pinocchio, der behauptet hatte auf Brünette zu stehen, hatte sich nicht daran gestört, dass mein Haar eigentlich sonnenverwöhnt hell war. Meine weiblichen Attribute waren quasi unverschuldet. Doch ich war nicht so blöd, mich daran zu stören, dass ich nicht viel dafür getan hatte, um das Prädikat süß eingehamstert zu haben.
Weshalb manche Menschen nur Dinge schätzen konnten, die sie sich hart erarbeitet hatten, wollte mir nicht in den Kopf. Seit wann war es out, sich über Geschenke zu freuen? Jeder Mensch mochte Geschenke. Wäre ich glücklicher, wenn ich mir jeden Bissen vom Mund absparen müsste und eiserne Disziplin bräuchte, um den Körper zu haben, in dem ich steckte? Wohl eher nicht. Ich wäre frustriert, nicht beides – eine gute Figur und Nahrung – haben zu können. Klar, ich ging joggen, aber es machte mir Spaß. Das war es doch überhaupt, worauf es ankam: Spaß haben, das Leben einfach anzugehen. Ich fand, dass Verbitterung niemandem half außer der Pharmaindustrie. Nun ja, das würde für Sarah mit ihrer Pharmakologie sicher gewinnbringend sein. Aber an mir verdiente sie nichts für Stimmungsaufheller und Mittel gegen Magengeschwüre.
Also genoss ich die Dinge, wie sie waren und ließ das Grübeln bleiben. Vor mir saß
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