Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)
Nachdem du deine Chance gehabt hast, solltest du dich rasch zurückziehen.
Die Wachablösung verläuft meistens friedlich. Wird eine Führungskraft jedoch wegen Inkompetenz oder Fehlverhalten abgesetzt, so kommt es zu Spannungen. Der Nachfolger muss rasch Klarschiff machen, aber er sollte nicht auf dem gestürzten Vorgänger herumhacken. Der Mann wurde ohne Medaille entlassen. Er weiß, warum. Er büßt dafür. Man sollte nicht auch noch auf seiner beruflichen Leiche herumtrampeln.
VI Reflexionen
Die Powell-Doktrin
Man muss sich einfach geschmeichelt fühlen, wenn eine Doktrin nach einem benannt wird. Ich habe bis heute nicht verstanden, wie ich zu dieser Ehre gekommen bin.
Die sogenannte Powell-Doktrin findet sich in keinem Militärhandbuch. Der Ausdruck tauchte erstmals Ende der neunziger Jahre auf, nachdem Präsident Bush auf General Schwarzkopfs und meine Empfehlung hin die gegen den Irak aufgebotenen Truppen verdoppelt hatte. In den neunziger Jahren war der Ausdruck in den Sprachgebrauch eingegangen, nicht aber in die Handbücher. Er spiegelte meine Überzeugung wider, dass man alle Truppen einsetzen muss, die notwendig sind, um die Art von entscheidendem und erfolgreichem Resultat herbeizuführen, wie wir es bei der Invasion in Panama und bei der Operation Wüstensturm erzielt hatten.
Bei der Diskussion, was sie für das Kernelement der Doktrin hielten, gebrauchten Kommentatoren häufig den Terminus »überwältigende Übermacht«, doch ich habe stets den Ausdruck »entscheidend« vorgezogen. Eine Übermacht, die ein entscheidendes Resultat herbeiführt, muss nicht notwendigerweise überwältigend sein. Oder anders ausgedrückt, eine überwältigende Übermacht kann eine zu große Übermacht sein. Wichtig ist das erfolgreiche Ergebnis, nicht wie gründlich man den Feind oder Gegner vernichten kann.
Ich habe immer die Ansicht vertreten, dass in einem militärischen Konflikt eine entscheidende Übermacht eingesetzt werden sollte, und zwar aus einem einfachen Grund: Warum nicht, wenn man kann? Nach der Operation Wüstensturm wurde ich im Anschluss an eine Rede vor Navy-Angehörigen gefragt, warum ich General Schwarzkopf zwei zusätzliche Flugzeugträgerkampfgruppen geschickt hatte, obwohl er nur um eine gebeten hatte. Meine Antwort: »Ich hatte nicht die Zeit, die anderen zu holen. Das war wie bei einer Bandenschlägerei.« Das war ein starker Spruch, aber mein wahrer Grund war, dass ein Flugzeugträger mehr als von Schwarzkopf angefordert meiner Ansicht nach eine zusätzliche Garantie für den Sieg darstellte.
Die Powell-Doktrin ist oft mit der Weinberger-Doktrin verglichen worden, jenen sechs Regeln zur Anwendung militärischer Gewalt, die Verteidigungsminister Weinberger 1984 formuliert hat.
Bei allen Ähnlichkeiten zwischen Minister Weinbergers Ideen und meinen habe ich niemals offiziell eine Liste von Richtlinien aufgestellt. Meine Ansichten sind keine Richtlinien. Ich habe sie immer als Grundsätze verstanden, die Führungskräfte bei Entscheidungsprozessen in ihre Überlegungen einbeziehen sollten. Der Präsident entscheidet, ob sie in einer bestimmten Situation relevant sind oder nicht. Das Militär führt aus, was der Präsident beschließt.
Mein Verständnis der Powell-Doktrin beruht auf der Prämisse, dass Krieg zu vermeiden ist. Alle verfügbaren politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen und finanziellen Mittel müssen ausgeschöpft werden, um das Problem zu lösen und das vom Präsidenten ausgegebene Ziel zu erreichen. Gleichzeitig muss deutlich gemacht werden, dass eine militärische Macht existiert, die unsere Diplomatie stützt und auf den Plan tritt, wenn die Diplomatie endet. Es gibt keine scharfe Trennung zwischen beiden. Diplomatie, die nicht auch die Anwendung von Gewalt in Aussicht stellt, kann wirkungslos bleiben. Wenn der Bereitschaftsgrad der Streitkräfte, Truppenentsendungen, Manöver und Androhung militärischer Aktionen jederzeit auf dem Verhandlungstisch bleiben, können wir die Diplomatie häufig unterstützen und das politische Ziel des Präsidenten erreichen, ohne im Zorn einen Schuss abzufeuern.
Aber wenn der Präsident befindet, dass sein politisches Ziel nur mit Gewalt zu erreichen ist, dann muss Gewalt in entscheidender Art und Weise angewendet werden. Ohne ein klares politisches Ziel ist eine Ermittlung der erforderlichen Kräfte nicht möglich.
Bei der Entscheidung, welche Kräfte eingesetzt werden und wie, müssen Planer die Operation in ihrer Gesamtheit von
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