Leander und die Stille der Koje (German Edition)
hunderttausend Euro versenkt. Bis heute zahlte er die Kredite ab, mit denen er sein damaliges Abenteuer finanziert hatte. Und dann all das Geld, das ihm vertrauensselige Anleger treuhänderisch übergeben hatten …
Dabei war anfangs alles so prima gelaufen. Paulsen hatte anfassen können, was er wollte, alles war zu Gold geworden. Rambus zum Beispiel, wenn er da nur etwas mehr Mut gehabt hätte! Der Speicherchip-Hersteller war von gut achtzig Euro innerhalb kürzester Zeit auf zweihundertvierzig geklettert, getrieben durch die Versprechungen der Fachpresse und das Engagement von Intel. Paulsen war bei einhundertfünfundsiebzig ganz groß eingestiegen. Jeden Euro, den er irgendwo auftreiben konnte, hatte er da reingesteckt. Von heute auf morgen war das gekippt: Plötzlich hieß es, Intel wolle sich von Rambus trennen, damit sei der Chip-Hersteller am Ende. Innerhalb von zwei Tagen stand der Kurs wieder bei achtzig Euro, Tendenz fallend. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Paulsen die Papiere gehalten, immer damit rechnend, dass Entwarnung kam und der Kurs erneut explodierte. Bei einhundert Euro hatte er sogar nachgekauft, auf Kredit, damit es sich am Ende so richtig lohnte. Bei zweiundsiebzig Euro hatte dann der Stop-Loss gegriffen, und die Aktien waren automatisch verkauft worden. Im ersten Moment war er dafür fast dankbar gewesen, weil er selbst wie paralysiert gewesen war angesichts der riesigen Gewinnerwartungen, die er mit Rambus verbunden hatte. Einen Tag später kam die Entwarnung von Intel, und Paulsen konnte nur noch zusehen, wie die Aktie binnen Stunden auf vierhundertachtzig Euro explodierte, ohne dass er mit seinen vorsichtigen Kaufkursen, die er viertelstündlich anpasste, auch nur einmal zum Zuge gekommen wäre. Auch die Vermutungen, dass sich ein Großanleger mittels Falschmeldungen, die er gezielt gestreut hatte, vor der Explosion der Aktie zum Schnäppchenpreis hatte eindecken wollen, halfen Paulsen nicht – sein Geld war weg. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich zum ersten Mal nicht mehr als Macher, sondern als Getriebener undurchsichtiger Manipulationen gefühlt. Aber er hatte einfach nicht aufhören können, die Gier war zu groß gewesen.
Dann kam der Golfkrieg und mit ihm der Blick auf die Hersteller von Blutplasma, allen voran die kleine kanadische Firma Hemosol. Ein schlechtes Gewissen hatte Paulsen schon gehabt, als er Hemosol-Aktien gekauft hatte, denn immerhin wollte er seinen Profit damit machen, dass amerikanische Soldaten im Krieg gegen den Irak ihr Blut verloren und Plasma benötigten. Aber der Krieg fand nun einmal sowieso statt, und da mussten ja nicht nur die gewissenlosen Rüstungsschweine dran verdienen. Außerdem war das die Chance gewesen, die Rambus-Pleite wieder auszugleichen. Paulsen hatte sein Haus belastet und Kredite aufgenommen, nur um Hemosol zu kaufen. Die Blase platzte, bevor die Firma ihre Marktzulassung bekam und die Aktie auch nur nennenswert zugelegt hatte. Der Neue Markt fiel in sich zusammen wie ein sprichwörtlicher Luftballon, der mit einer Nadel bearbeitet worden war. Jetzt gab es nur noch eine Chance, wenn Paulsen sein Geld retten wollte: einen weiteren Kredit aufnehmen und in Optionsscheine auf fallende Kurse stecken. Kaum hatte er das getan, fing sich der Kurs von Hemosol, also verkaufte er seine Optionsscheine mit Verlust wieder und kaufte welche auf steigende Kurse. Das war kurz vor dem endgültigen Absturz der Aktie gewesen.
Seitdem hatte sich Paulsen nie wieder richtig berappelt. Und er musste vorsichtiger werden, wenn er sich die wenigen gutwilligen Anleger hier auf der Insel nicht ganz vergraulen wollte. Brar Arfstens Investment wäre fast zum endgültigen Desaster für ihn geworden. Zweihundertfünfzigtausend Euro! Wer hatte auch ahnen können, dass die Brennstoffzellenaktien sich so schlecht entwickelten, obwohl große Automobilhersteller wie Mercedes sich daran beteiligten. Als dann noch die Gasautos auf den Markt gekommen waren, war ein Verlust nicht mehr zu verhindern gewesen. Schließlich mussten die Leute wissen, worauf sie sich bei Technologieaktien, noch dazu in Innovationsbranchen, einließen. Der Landwirt hatte sich erst wieder beruhigt, als Paulsen ihm zu einer rettenden Partnerschaft mit Nahmen Rickmers, beziehungsweise mit dessen Frau Hilke verholfen hatte, ohne auf die Vermittlungsprovision zu bestehen, die ihm eigentlich zugestanden hätte. So richtig verziehen hatte der Landwirt ihm aber nicht.
Auch Ottensen und Frerich gaben einfach keine
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