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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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Friedrichs Aufschnitt und bei Bäcker Hansen seine geliebten Kornkracher, Dünenkrustis und Croissants. Wenn Lena schon bei diesem Wetter arbeiten musste, sollte sie vorher wenigstens urlaubsmäßig frühstücken. Dann folgte der obligatorische Abstecher auf die Mittelbrücke, die bereits am frühen Morgen von vereinzelten Urlaubern mit Brötchentüten in den Händen frequentiert wurde.
    Leander registrierte die skeptischen Blicke, mit denen die Brückenbesucher den Himmel betrachteten. In der Nacht hatte es sich kaum abgekühlt, bereits jetzt ließ sich die drückende Schwüle des heraufziehenden Tages erahnen. Entsprechend verschleiert war der Himmel. Das Blau der letzten Tage war milchigen Schlieren gewichen, die sich in der Ferne perspektivisch weiteten. Alles schien auf die Insel und den Betrachter zuzulaufen, ihm geradezu zu drohen. Die Luft stand, kein Windhauch erfrischte die Haut, der Brustkorb wurde leicht zusammengedrückt, das Atmen fiel schwerer als an den Tagen zuvor.
    Als er von der Plattform zurück auf den Strand mit seinen Strandkörben und dem Beachvolleyballfeld blickte und auf den dahinter liegenden Grünstreifen und die Geschäfte am Sandwall, bemerkte er einen regelrechter Auflauf vor der Buchhandlung Bu-Bu . Waren das schon die ersten Tagesgäste vom Festland, die gleich den erstbesten Souvenirshop ansteuerten, um dort die gleichen Plüschrobben zu kaufen, die sie auch in Kiel oder Husum bekamen – made in China? Leander schaute auf seine Uhr: sieben Uhr fünfunddreißig – viel zu früh für die Tagesgäste. Also musste da etwas anderes los sein.
    So schnell die stickige Luft es zuließ, lief Leander den Steg entlang zurück und hoffte inständig, dass Jens Hoss, dem Inhaber der Buchhandlung, nichts passiert war. Als er auf dem Sandwall ankam, stellte er erleichtert fest, dass sich die Menschen nur um die Zeitungsständer drängten, als gäbe es hier die letzten Nachrichten vor dem Weltuntergang. Ein Mann mittleren Alters rettete seine Beute vor dem Zugriff der Nachdrängenden, indem er die Zeitung hoch in die Luft hielt und so auf den Laden zustrebte, um sie zu bezahlen. Derart exponiert erkannte Leander den Insel-Boten , von dessen Titelseite ihn die Schlagzeile geradezu ansprang: Inselkrieg spitzt sich zu . Den Untertitel konnte er nicht entziffern.
    Was soll’s, dachte Leander, ich habe ja mein Exemplar bereits im Briefkasten. Also machte er sich auf den Weg nach Hause, wo Lena mit dem Kaffee auf ihn und den Rest des Frühstücks wartete.
    Als er sein Haus in der Wilhelmstraße erreichte, war das Zeitungsfach an seinem Briefkasten bereits leer, Lena war schneller gewesen. In der Küche schüttete er die Brötchen in einen Korb, legte die Wurst auf einen Teller, griff nach der Tüte mit den Croissants und ging dann hinaus in den Garten, wo er Lena am Frühstückstisch lesend vorfand.
    »So eine Sauerei«, begrüßte sie ihn. »Guck dir das mal an.« Sie hielt Leander die Zeitung entgegen, der sich zunächst einmal hinsetzte und dann mit der schon bekannten Schlagzeile konfrontiert wurde, diesmal aber den gesamten Text vor sich hatte: Inselkrieg spitzt sich zu .
    Der Lokalredakteur Bertolt Brüning berichtete über die jüngsten Anschläge auf Günter Wiese, Melf Albertsen und Ole Paulsen und stellte sie in einen direkten Zusammenhang zu dem Mord an Nahmen Rickmers. Dadurch entstand das Bild eines so erbitterten Streits zwischen radikalen Naturschützern und Landwirten und Jägern, die sich inzwischen im wahrsten Wortsinne bis aufs Blut bekämpften, dass sich der Begriff Krieg geradezu aufdrängte. Besorgte Insulaner kamen zu Wort, die weder die Arbeit der Polizei noch die ihres Bürgermeisters gut aussehen ließen.
    Leander ließ die Zeitung sinken und blickte Lena bedauernd an. Der gefiel der Artikel offenbar gar nicht, und das hatte nicht nur mit der Beurteilung ihrer Arbeit zu tun, sondern auch mit der Darstellung der Abläufe und Kausalitäten.
    »Das schreit ja geradezu nach Rache und Eskalation«, befürchtete sie. »Wir können von Glück reden, wenn der Artikel keinen Flächenbrand auslöst.«
    »Zur Beruhigung der Fronten wird er jedenfalls nicht beitragen«, stimmte Leander zu. »Dabei klingt das alles durchaus schlüssig. Wer, wenn nicht die Bauern und Jäger, sollte ein Interesse an den Anschlägen auf Wiese und Albertsen haben? Und auch der Überfall auf Paulsen gestern Abend sieht in dem Kontext wie ein Racheakt der Naturschützer aus.«
    »Selbst wenn das so sein sollte,

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