Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Geständnis Ihres Mannes überrascht worden?«
»Eigentlich nicht. Geahnt habe ich das längst, aber man hofft ja doch immer, dass es nicht stimmt.«
»Können Sie bestätigen, dass Ihr Mann gestern Abend zwischen zweiundzwanzig und dreiundzwanzig Uhr bei Ihnen gewesen ist?«
Auf Frau Arfstens Gesicht schlich sich ein Lächeln. »Er hätte wohl ernsthafte Probleme, wenn ich das nicht bestätigen würde, was?«
»Dann müssten wir ihn vorläufig festnehmen, wegen des Verdachtes, auf Ole Paulsen geschossen zu haben«, sagte Lena.
»Verdient hätte er es ja. Schade, aber ich kann Ihnen da nicht helfen. Mein Mann war gestern den ganzen Abend zu Hause. Wir haben uns ausgesprochen, nachdem meine erste Wut verraucht war.«
»Werden Sie zu ihm zurückgehen?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber ich nehme es an. Man wirft siebenundzwanzig Jahre nicht einfach so weg.«
Lena hätte ihr gerne ihre Ansicht darüber dargestellt, wer diese siebenundzwanzig Jahre einfach so weggeworfen hatte, aber das ging sie ja nichts an. Sie verabschiedete sich stattdessen mit einem Händedruck, der etwas länger dauerte als gewöhnlich.
»Und nun?«, fragte Dieter Bennings auf dem Weg zum Auto.
»Autohaus Steencke«, antwortete Lena knapp.
Arno Steencke wusste offensichtlich, womit man Kunden köderte. Die blonde Augenweide, die Lena und Dieter Bennings inmitten der farbig glänzenden Neuwagen im kleinen Ausstellungsraum empfing, war von so ausgesuchter Schönheit, dass es selbst Lena, die für Äußerlichkeiten normalerweise keinen Sinn hatte, für einen Moment die Sprache verschlug. Sie war schätzungsweise Mitte dreißig, wirkte aber zehn Jahre jünger, was daran lag, dass sie offensichtlich nach der Arbeit den Rest des Tages mit der Instandhaltung ihres Äußeren verbrachte. Auch olfaktorisch blieb kein Traum unerfüllt: Der dezente Duft, den sie eindrucksvoll verbreitete, musste ein kleines Vermögen kosten.
»Ich sage meinem Mann Bescheid«, verkündete sie und wies auf eine Sitzgarnitur aus mattem, rotem Leder, bevor sie in ihr angrenzendes Büro schwebte.
»Holla, die Waldfee!«, flüsterte Dieter Bennings Lena zu und ließ sich in die weichen Polster sinken.
»Das hätte selbst ich jetzt nicht treffender ausdrücken können«, antwortete Lena und beobachtete durch die große Glasfläche, die das Büro vom Ausstellungsraum trennte, wie Frau Steencke nach dem Telefonhörer griff und kurz und knapp hineinsprach.
Arno Steencke war das genaue Pendant zu seiner Frau: eine unfassbar getreue Kopie des jungen Gunther Sachs – so etwa vor einem halben Jahrhundert am Strand von Kampen. Er trug einen hellen maßgeschneiderten Anzug, ein weißes Hemd und eine bunte Krawatte, die wirkte, als habe Kandinsky sie speziell für ihn entworfen. Das war zwar etwas gewagt, traf aber genau das Maß, mit dem man selbst seinen wohlhabenden Kunden eine Ahnung von Weltläufigkeit und Unabhängigkeit vermitteln konnte. Eine gleichmäßige Bräunung, die unmöglich allein von der Sonne stammen konnte, vervollständigte die Perfektion. Arno Steencke und seine Frau wirkten so treffsicher aufeinander abgestimmt, dass Lena für einen Moment der Verdacht beschlich, die Väter von Klonschaf Dolly müssten sie nach der Lektüre einiger tausend Lifestyle-Magazine erschaffen haben.
Der Chef des Autohauses begrüßte die Kriminalbeamten professionell freundlich, bot ihnen Cappuccino und Wasser an, holte dann beides selber aus dem Büro und setzte sich zu ihnen.
»Ich nehme ja nun nicht an, dass Sie ein Auto kaufen wollen«, eröffnete er das Gespräch. »Was führt Sie also zu mir?«
»Es sind in der Tat Ihre Autos, die uns zu Ihnen führen«, antwortete Lena und lächelte Arno Steencke freundlich an. »Dafür, dass Sie hier auf einer Insel tätig sind, ist Ihre Ausstellung sehr eindrucksvoll.« Sie deutete auf die Fahrzeuge im Ausstellungsraum, die überwiegend von den Marken Mercedes, Porsche, BMW und Audi kamen.
»Sehen Sie«, erklärte Arno Steencke, »wir standen vor fünf Jahren, als wir uns entschlossen, uns mit einem Autohaus selbstständig zu machen, vor der Kernfrage, welches Marktsegment wir bedienen wollen. Unter- und Mittelklasseanbieter gab es schon. Also haben wir uns entschlossen, uns auf die hochpreisigen Oberklassewagen zu spezialisieren. Das war ein ziemlich großes Risiko, weil die Nachfrage naturgemäß kleiner ist als bei den anderen Klassen. Allerdings gibt es eine ganze Reihe Leute auf der Insel, die gutes Geld verdienen und das auch
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