Leander und die Stille der Koje (German Edition)
meinte sie resigniert. »Wenn uns nicht etwas ganz Besonderes einfällt, ist der schneller wieder draußen, als wir gucken können.«
»Was ist mit dem Abend, an dem sein Vater erschlagen wurde?«, erkundigte sich Leander und traf damit die Schwachstelle des bisherigen Verhörs. »War er zum Tatzeitpunkt in der Boldixumer Vogelkoje?«
»Er streitet das ab, Ariana auch, und die Spurenlage ist nicht eindeutig.«
»Das weiß er doch nicht. Angenommen, wir könnten Ariana Jeronski nachweisen, dass sie da war. Dann liegt es doch nahe, dass sich ihr Zuhälter ebenfalls in der Koje aufgehalten hat. Wenn Ariana das Gefühl bekommt, dass Maarten sie im Regen stehen lässt, packt sie vielleicht aus.«
»Das können wir aber alles nicht nachweisen.«
»Noch einmal: Das weiß Ariana nicht. Und Maarten Rickmers weiß es auch nicht. Ihr müsst eben einfach bluffen, sonst erreicht ihr nie etwas.«
»Du hast leicht reden. Schließlich müssen sowohl das Geständnis als auch die Art, wie es zustande gekommen ist, später vor Gericht verwertbar sein und der Strafprozessordnung genügen. Ich habe keine Lust, mir die Ergebnisse meiner Arbeit von einem übermütigen jungen Staatsanwalt um die Ohren hauen zu lassen. Und Petersen ist auch kein Anfänger, der zerreißt uns genüsslich in der Luft.«
»Dann musst du eben geschickt genug vorgehen«, überlegte Leander und versank in Gedanken, von denen Lena nur ahnen konnte, wie intensiv sie waren.
Schließlich hellte sein Blick sich auf. »Ich habe da eine Idee! Beweismittel sind nur dann unzulässig, wenn die ermittelnden Beamten sie auf unrechtmäßige Weise oder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erworben haben. Ich bin aber kein Beamter mehr. Wie ich die Beweismittel erlange, ist egal. Und wenn ich sie euch zuspiele, dürft ihr sie verwenden.«
Dann erklärte er Lena seinen Plan.
»Das könnte klappen«, urteilte die schließlich, wobei sie gleich etwas wacher wirkte. »Und das wäre dann ja auch kein Trick.«
»Quatsch, wo denkst du hin«, rief Leander lachend und kniff ihr ein Auge zu. »Mit einem Trick hat das rein gar nichts zu tun.«
Diese Nachricht wirkte immerhin erfrischend genug auf Lena, um nun den komplexeren Teil des heutigen Tages anzugehen. Sie bat Jens Olufs, Maarten Rickmers zum Verhör zu holen und dann auch gleich das Protokoll zu führen.
»Herr Rickmers«, eröffnete Lena das Verhör, das diesmal von Dieter Bennings begleitet, von Jens Olufs direkt protokolliert und von Rechtsanwalt Petersen mit Argusaugen verfolgt wurde. »Woher haben Sie den Schlüssel für die Boldixumer Vogelkoje?«
»Von meinem Vater.«
»Er hat Ihnen den Schlüssel gegeben?«
»Nicht direkt. Der Schlüssel lag immer in einer Schublade seines Schreibtischs, wenn er ihn nicht brauchte. Als er einmal für ein paar Tage zu einer Jägerversammlung auf dem Festland war, habe ich ihn mir ausgeliehen und einen Zweitschlüssel nachmachen lassen.«
»Also wusste Ihr Vater nichts von Ihren Arrangements in der Vogelkoje?«
»Natürlich nicht. Der hätte mir den Arsch aufgerissen, wenn er das gewusst hätte.«
»Hatten Sie keine Angst, von ihm dort erwischt zu werden?«
»Wir haben immer Termine gewählt, an denen er garantiert etwas anderes vorhatte.«
»Außer an dem Abend, an dem Sie Ihren Vater erschlagen haben«, warf Dieter Bennings ein. »Da stand er plötzlich in der Tür, nicht wahr?«
»Unsinn. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir an dem Abend nicht dort waren.«
Dieter Bennings stand wortlos auf, ging in die Wachstube und kam mit einer durchsichtigen Plastiktüte zurück, in der ein Gegenstand aus Holz steckte, der wie ein verkleinerter Baseball-Schläger aussah. »Kennen Sie das hier?«
»Nein, was ist das?«
»Man nennt das einen Karpfenschläger. Er wird benutzt, um Fische zu töten. Mit so einem Schläger ist Ihr Vater erschlagen worden. Wir haben Fingerabdrücke darauf gefunden.«
Maarten Rickmers Augen flackerten einen Moment unruhig auf. »Fingerabdrücke?«
»Genau. Wissen Sie, Laien denken immer, man brauchte so einen Gegenstand aus Holz nur mit einem Tuch abzuwischen, und schon sind alle Spuren beseitigt. Aber das stimmt nicht. Das Holz nimmt das Fett der Abdrücke auf, und mit unseren heutigen technischen Mitteln können wir sie wieder sichtbar machen. Deshalb werden wir Ihnen nun Abdrücke abnehmen und sie mit denen auf diesem Schläger abgleichen.«
Maarten Rickmers blickte Dr. Petersen fragend an, aber der zuckte nur mit den Schultern. Gegen die
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