Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
offensichtlich Timors Vater war, denn sie hatten die gleichen haselnussbraunen Haare. Widerwillig gehorchte der Junge, und Leandra richtete sich auf.
„Bleibt bitte liegen.“ In seiner rechten Hand hielt er Novan–Blätter. Sie waren gut gegen Fieber, und Leandra erinnerte sich, dass sie zusammengebrochen war. Stimmt, gestern hatte sie Fieber gehabt, und wahrscheinlich hatte die körperliche Anstrengung einen kleinen Rückfall ausgelöst, doch sie erholte sich immer erstaunlich schnell von Krankheiten und fühlte sich bereits gesund.
„Keine Sorge, mir geht es wieder gut.“
„Tatsächlich?“ Der Fremde kniete neben ihr und legte die Kräuter ab, während Timor sich demonstrativ abwandte. „Bitte verzeiht das Verhalten meines Sohnes. Er hat in der letzten Zeit viel durchgemacht, und anscheinend trifft das auch auf Euch zu.“
Der Mann legte ihr die Hand auf die Stirn.
„Das ist wie ein Wunder, das Fieber ist fort.“
Der Junge drehte sich wieder um, und Leandra sah, dass seine Augen zornig funkelten.
„Wenn es ihr gut geht, können wir ja weiter.“
„Timor!“
Leandra sagte: „Ist schon gut. Ich denke, ich muss auch los.“
„Ihr wollt sicher ebenfalls nach Mendarn.“
Da es sinnlos war, dies zu leugnen, nickte sie, und der Fremde meinte: „Vielleicht wäre es besser, wenn wir zusammen weiterziehen.“
Leandra wusste nicht, was sie von diesem Vorschlag halten sollte. Sie fühlte, dass sie diesem Mann vertrauen konnte, aber wer auch immer die beiden verfolgte, würde sie vielleicht ebenfalls als Ziel ansehen. Anderseits, drei Menschen waren wachsamer als einer, und zumindest der Vater schien nett zu sein. Sie schaute zu Timor, der von dieser Idee nicht begeistert war. Mit der Zeit werden wir bestimmt miteinander auskommen , dachte Leandra.
„Einverstanden.“
„Mein Name ist Adain.“
„Adain? Bist du nicht mit Enos, nachdem die Seeperle sank, an die Küste getrieben?“
Überrascht hoben sich seine Augenbrauen.
„Ihr kennt Enos? Dumme Frage, natürlich habt ihr zusammen im Palast gelebt. Er hat Euch von der Seeperle erzählt?“
Die Prinzessin nickte, und Adain schien in Erinnerungen zu versinken. In seinen Augen las sie tiefen Schmerz, und um seine Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt zu lenken, berührte sie ihn am Arm und sagte: „Bevor wir aufbrechen, würde ich gerne wissen, wie viele euch verfolgen.“
Leandra bemerkte, wie Vater und Sohn einen Blick wechselten, und sprach rasch weiter: „Ich kann verstehen, dass ihr mir noch nicht traut. Vielleicht werde ich die Antwort selber herausfinden, allerdings wäre es mir lieber, wenn ich vorbereitet wäre. Damit ihr Bescheid wisst, verrate ich euch, dass eine Person mich verfolgt, aber ich weiß nicht, wie nah sie ist.“
Adain schwieg eine Weile, schließlich seufzte er: „Vier.“
Verwundert sah Leandra die beiden an. Normalerweise schickte man nur eine Gruppe los, um Erben der Vohraner zu fangen. Doch Adain war Enos’ Freund, also glaubte sie, dass er nichts Unrechtes getan hatte. Sie lächelte den Jäger an.
„Es ist mir eine Freude, Enos’ alten Freund kennenzulernen, und die Gelegenheit zu haben, mit ihm zu reisen.“ Sie streckte ihm die Hand hin, und Adain ergriff sie.
„Prinzessin Leandra, es ist mir ebenfalls eine Ehre.“
„Bitte nenn mich Leandra.“
„Wie großzügig“, spottete Timor und ernte dafür einen bösen Blick seines Vaters. Der Junge ging nach draußen, und Adain sah Leandra besorgt an.
„Bist du wirklich bereit, weiterzureisen? Du hattest hohes Fieber.“
Sie zuckte mit den Schultern und stand ohne Mühe auf.
„Ich bin ziemlich zäh.“
Adain erwiderte nichts, dann zog er einen Verband aus seiner Tasche.
„Er ist wieder sauber. Möchtest du ihn wieder umlegen?“
„Ja.“ Sie musste wohl ihr ganzes Leben dieses Zeichen verbergen, auch erinnerte es Leandra an die letzte Nacht in Tehu. Als sie die Binde nehmen wollte, sagte Adain: „Warte, mit zwei Händen geht das leichter.“
In wenigen Augenblicken war er fertig, und sie konnten sich auf den Weg machen. Timor zog ein missmutiges Gesicht, und die Prinzessin fragte sich, warum er ihre Anwesenheit so ablehnte. Einmal sahen sie sich kurz in die Augen, und Leandra erkannte ein Gefühl, das über bloßes Misstrauen hinausging. War es Hass? Dabei hatte sie ihm nichts getan, vielleicht reichte es, dass sie eine Amazone war. Oder störte sie einfach die Zweisamkeit von Vater und Sohn? Timor war in einem Bergdorf groß geworden, und diese Menschen blieben gerne
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