Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
nach Fischen Ausschau, während Leandra die Umgebung betrachtete. Alle Nadelbäume und Sträucher um sie herum wirkten krank, und bis jetzt hatte Leandra auch keine Laute von jagdbaren Tieren vernommen.
„Wir sollten so schnell wie möglich dieses Tal durchqueren.“
„Da stimme ich dir zu, Leandra“, sagte Timor und watete wieder ans Ufer. Sie waren zwar keine Freunde geworden, doch er schien sich an sie gewöhnt zu haben. „Im Wasser schwimmt nicht einmal ein Fischchen.“
Timor krempelte die Hosenbeine herunter, und als er sich einen seiner Stiefel nahm, rutschte ein Dolch heraus. Leandra erkannte sofort, dass es sich um einen Amazonendolch handelte. Wie kam Timor zu so einer Waffe? Er sprang auf und sah sie wütend an.
„Ich weiß genau, was du jetzt denkst!“
Adain stand auf und hob die Handflächen hoch.
„Mein Sohn, beruhige dich. Bestimmt ist sie genauso erstaunt wie ich, dass du diesen Dolch besitzt. Woher hast du ihn?“
Trotzig starrte Timor seinen Vater an und presste die Lippen zusammen. Auch Adain wurde nun zornig und hob die Stimme: „Verdammt, warum antwortest du nicht einfach und schaffst diese Sache aus der Welt?“
„Ich schulde ihr keine Erklärung, und außerdem ist für sie sowieso alles klar.“
Leandra erhob sich.
„Ich glaube nicht, dass du durch ein Verbrechen an diesen Gegenstand kamst, dennoch hast du recht. Diese Angelegenheit solltet ihr unter euch klären. Ich werde mich noch einmal umsehen.“
Timor ballte die Hände zu Fäusten.
„Und warum nicht? Weil du denkst, ich könnte keine Amazone überwältigen?“
Gleichgültig, was Leandra jetzt sagte, es würde ihn nur noch stärker aufregen. Dabei hatte sie ihn beruhigen wollen.
„Jetzt reicht es!“ Adain packte seinen Sohn am Arm und zerrte ihn die Büsche. Verwirrt sah Leandra auf die Stelle, wo die beiden verschwunden waren. Was war mit Timor los? Erst regte er sich auf, weil sie ihn vielleicht für einen Mörder halten könnte, und dann darüber, dass sie nicht glaubte, dass er zu so etwas fähig war. Die Prinzessin setzte sich und überlegte, ob sie lieber alleine weitergehen sollte. Sie wollte nicht, dass Vater und Sohn sich ihretwegen stritten.
Adain und Timor kamen zurück. Als wäre nichts gewesen, sagte der Jäger lächelnd: „Waren wir uns nicht einig, dass wir schnell durch dieses Tal wollen? Lasst uns aufbrechen.“
Schweigend zog Timor seine Stiefel an, während Adain ihr eine Hand auf die Schulter legte.
„Tut mir leid, dass du Zeuge dieses Verhaltens wurdest. Anscheinend verwechselt Timor dein Verständnis mit Herablassung.“
„Vielleicht sollte ich euch lieber verlassen.“
„Nein, bitte bleib.“
Überrascht sah Leandra Adain an und bemerkte die Wärme in seinen hellgrünen Augen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihre Mutter sie je so liebevoll angeblickt hatte. Wieso lag ihm so viel daran?
„Fühlst du dich für mich verantwortlich, weil ich eine Freundin von Enos bin?“
„Ich bin sicher, dass du alleine auf dich achtgeben kannst, dennoch sollte man die Berge in einer Gruppe überqueren. Wenn wir Mendarn erreichen, kann jeder wieder seiner Wege gehen.“
„Einverstanden“, sagte Leandra.
Nachdem sie ihre Sachen eingesammelt hatten, reisten sie weiter. Timor beachtete sie nicht, und Leandra fragte sich, wieso sie eingewilligt hatte mitzukommen. Hatte sie vernünftig gehandelt oder aus Freundschaft zu Adain?
Als sie am Abend lagerten, herrschte noch immer eine kühle Stimmung. Timor starrte in die Gegend, und Leandra fuhr sich durchs lange, dunkle Haar. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Situation entschärfen konnte. Am besten wartete sie, bis Timor selbst den ersten Schritt unternahm.
„Man erzählt sich, dass hoch in den Bergen Trolle leben, die nur in der Nacht hervorkommen, weil das Tageslicht ihren Augen schadet“, flüsterte Adain, und Leandra hörte auf, ihr Haar mit den Fingern zu kämmen.
„Willst du uns die Legende der Trolle erzählen?“
Seine Stimme war sehr leise, als er fortfuhr: „Vor dreihundert Jahren ritt ein junger Soldat namens Vion nach Eshru, um seine Eltern zu ihrem Hochzeitstag zu besuchen. Eshru war ein kleines Dorf am Fuße des Asol-Gebirges, das kaum jemand kannte. Als Vion das Dorf sah, zügelte er entsetzt sein Pferd. Die Haustüren hingen zertrümmert in den Angeln, ganze Wände waren eingestürzt, und kein Bewohner war zu sehen. Langsam näherte er sich Eshru und entdeckte Blutlachen im Schnee sowie riesige Fußabdrücke. Bislang hatte Vion nur
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