Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
Verfügung. Das Maschinenzeitalter begann und veränderte das Leben auf diesem Planeten in noch niemals dagewesener Art und Weise. Wir konnten wachsen und expandieren, und das in vielenunterschiedlichen Bereichen unseres Lebens. Als Konsequenz des Rückgriffs auf Energie aus längst vergangenen Zeiten sind wir explosionsartig mehr Menschen geworden, da wir uns plötzlich über Naturgesetze hinwegsetzen konnten. Viele Dinge, die uns im Moment das Leben erleichtern, basieren auf fossiler Energie. Wenn diese Energiequelle zusammenbricht, werden alle unsere technischen Erfindungen nutzlos. Ein Auto ohne Sprit hat keinen Wert, ein Niedrigenergiehaus ohne Strom ebenfalls nicht. Eine Großstadt ohne Elektrizität ist ein Todeszone!
Wir haben uns von fossiler Energie abhängig gemacht und begeben uns tiefer und tiefer in diese Abhängigkeit. Es ist Teil meines Weges, zu versuchen, immer weniger von fremden Energien zu zehren, sondern mit meiner Energie zu arbeiten – mit meiner Lebensenergie, mit meiner Kraft, mit meiner Ausdauer, mit der Nahrung, die ich mir selbst anbaue.
Wenn ich mich wieder auf meine eigene Energie besinne, die mir von Natur aus zur Verfügung steht, dann erkenne ich diese Illusion, in der wir leben. Es ist die Illusion des Schlaraffenlands. Wir glauben, dass wir im Paradies leben, weil wir fälschlicherweise das Schlaraffenland für das Paradies halten. Das Schlaraffenland ist jenes Land, in dem man einfach herumliegt, und es fliegt einem alles in den Mund. Es ist immer alles da. So stelle ich mir aber das Paradies nicht vor.
Ein Schlaraffenland versorgt dich scheinbar mit allem, was du brauchst, und nimmt dir dadurch die Möglichkeit, dich weitgehend selbst und aus eigener Kraft zu versorgen.
Ich begebe mich nun auf den Weg, mich so gut wie möglich und Schritt für Schritt der Selbstversorgung anzunähern. Dasfunktioniert nicht von heute auf morgen. Ich stelle mir vier Personen vor: einer ist Architekt, der anderer Elektroniker, eine ist PR-Fachfrau, und die vierte ist Physiotherapeutin. Sie kaufen sich gemeinsam einen Bauernhof und machen auf Selbstversorger, wollen also ihr Leben in die eigenen Hände nehmen. Es wäre doch ein Wunder, würden sie nicht scheitern. Vielleicht haben sie sich viel Wissen über landwirtschaftliche Praktiken angeeignet, aber ihnen wird wohl die Erfahrung fehlen und damit die bäuerliche Weisheit. Erst durch das Scheitern und das Erbringen von Opfern wird wieder die Möglichkeit zur souveränen, autarken Existenz entstehen. Möglicherweise werden auch erst zukünftige Generationen davon profitieren. Es braucht Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen. Man muss auch ertragen können, von vielen als verrückt und weltfremd abgestempelt zu werden.
Clemens G. Arvay: Auch in der Ökologie spricht man inzwischen vom sogenannten „postfossilen Zeitalter“, das im Hereinbrechen ist. Wir befinden uns quasi am Ende des fossilen Zeitalters, in dem wir Erdöl unbegrenzt zur Verfügung hatten. Das kommende postfossile Zeitalter könnte zum Beispiel ein Solarzeitalter sein, in dem die Sonnenenergie im Mittelpunkt steht.
Hast du schon darüber nachgedacht, neue Energiequellen zu erschließen oder vielleicht sogar deinen eigenen Strom zu erzeugen?
Roland Düringer: Ich wohne seit nun fast zwei Jahren gemeinsam mit meiner Frau versuchsweise in einem hölzernen Zirkuswagen, der an keine externen Versorgungssysteme angeschlossen ist. Mit einer kleinen Fotovoltaikanlage erzeugen wir selbst Strom, um unseren relativ geringen Energiebedarf in diesem Wagen zu decken. Wir heizen mit Holz und kochen mit Gas aus Flaschen, durch welches uns auch Warmwasser zur Verfügung steht. Glücklicherweise habenwir auf unserem Grund einen Brunnen zur Wasserversorgung. Als Nutzwasser könnten wir jederzeit über die Dachfläche Regenwasser sammeln und können damit sparsam umgehen, denn im Holzwagen ist eine Trockentoilette eingebaut. Wir sind mit dieser Behausung also an keinerlei Netz angeschlossen und hätten die Möglichkeit, weitgehend autark zu leben. Und es ist ein wirklich gutes Gefühl, nicht mehr so sehr von den „Großen“, von Konzernen und technischen Systemen, abhängig zu sein. „Daseinsmächtigkeit“, das ist es, wonach wir alle streben sollten.
So etwas klappt aber nur, wenn alles in Zukunft kleiner wird, und wir Menschen unseren Bedarf dadurch von uns aus reduzieren können. Nicht Wachstum, sondern „Gesundschrumpfung“ wird der Schlüssel zu einem guten Leben sein – also die
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