Leben Ist Jetzt
bin etwas, nicht wenn ich anerkannt bin und
wenn die Menschen über mich reden. Ich bin etwas, ich bin einfach da, wenn ich ganz ich selber bin, ohne Nebenabsichten, ohne Druck, mich besonders
darstellen zu müssen. Ich muss nichts aus mir machen. Ich habe zu mir selbst gefunden. Jetzt bin ich einfach ich selbst.
Dieser Weg zu mir selbst ist lang. Und auch im Alter bin ich noch nicht am Ziel. Ganz am Ziel werde ich erst sein, wenn ich meine
Geschichte im Tod vollende. Und doch ist schon das Alter eine gewisse Vollendung meiner Lebensgeschichte. Ich bin durch diese Geschichte zu dem geworden
bin, der ich jetzt bin. Die ganze Geschichte gehört zu mir, auch viele Brüche. Und dazu gehört auch, dass ich mich oft genug als zerrissen und von mir
selbst entfremdet gefühlt habe. Alles, hat mich zu dem geformt, der ich jetzt bin. Das Bild, das sich Gott von mir gemacht hat, hat sich durch alle
Geschehnisse meines Lebens immer mehr durchgesetzt. Es ist aber auch geformt worden durch die äußere Geschichte. So hat dieses Bild in meiner
Lebensgeschichte Fleisch angenommen. Es ist nach außen hin sichtbar geworden.
Im Alter geht es darum, durch meine Lebensgeschichte und durch meine Lebensträume, die ich von früher Kindheit an hatte, mein eigeneEinmaligkeit zu entdecken, das, was mein wahres Wesen, mein authentisches Selbst ausmacht. Je mehr ich meine Einzigartigkeit entdecke,
desto mehr werde ich dankbar sein für mein Leben und desto mehr werde ich mein Alter als Ernte erfahren, in der ich die Frucht meines Lebens einbringen
kann, eine Frucht, an der sich viele andere erfreuen können.
Die eigene Lebensgeschichte akzeptieren. Und das Vergangene loslassen
Annehmen und Loslassen sind die beiden Grundvollzüge des Lebens. Sie sind die Voraussetzung, dass das Leben gelingt. Es gibt ein
Grundgesetz der Seele: Du kannst nur loslassen, was du angenommen hast. Annehmen heißt: Ich nehme meine Vergangenheit an, so wie sie war. Ich muss nicht
ständig nachzufragen: Was wäre gewesen, wenn ¼? Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn das oder jenes nicht passiert wäre? Solche Fragen sind
Energieverschwendung. Sie führen nicht weiter. Mein Leben ist so verlaufen, wie es verlaufen ist. Das muss ich akzeptieren. Akzeptieren heißt aber nicht,
zähneknirschend annehmen, was war, sondern versuchen, innerlich mein Leben und mich selbst mit dieser Lebensgeschichte zu bejahen. Ganz gleich was war,
ich bin durch meine Lebensgeschichte zu dem geworden, der ich jetzt bin. Und ich nehme mich so an. Ich verzichte darauf, mir ständig Vorwürfe zu machen,
dass ich so bin, oder an mir herumzukritisieren, dass doch vieles besser sein müsste.
Wenn dieser erste Schritt gelungen ist, dann kann ich den zweiten tun: Loslassen, was war. Loslassen heißt nicht: vergessen, sondern
das ständige Kreisen um Vergangenes loslassen, die Grübeleien loslassen, ob es nicht hätte anders werden können. Akzeptierenund
Loslassen sind normalerweise zwei Schritte hintereinander. Aber sie gehen auch ineinander. Indem ich die Selbstvorwürfe loslasse, lerne ich, mich zu
akzeptieren. Und umgekehrt gilt: Indem ich mich annehme, lasse ich die ständige Beschäftigung mit der Vergangenheit los. Ich lebe jetzt im Augenblick. Ich
bin offen für das, was die Gegenwart bringt und wie sie mich herausfordert.
Es gibt noch eine andere Form des Loslassens. Manche Alten leben nur noch in der Vergangenheit. Sie erzählen immer die gleichen Dinge
von früher. C. G. Jung sagt von solchen Menschen: „Wer kennt nicht jene rührenden alten Herren, die die Studentenzeit immer wieder aufwärmen müssen und
nur im Rückblick auf ihre homerische Heldenzeit ihre Lebensflamme anfachen können, im übrigen aber in einem hoffnungslosen Philistertum verholzt sind?
“ Diese Menschen leben nicht in der Gegenwart. In den Erzählungen von ihren Jugendtaten möchten sie selbst zum ewig Jungen werden. Doch für Jung ist das
nur „ein kläglicher Ersatz für die Erleuchtung des Selbst“, die eigentlich den alten Menschen zieren würde. Daher ist es wichtig, auch das Kreisen um die
alten Großtaten loszulassen und jetzt im Augenblick zu leben.
Das Leben vorwärts leben und rückwärts verstehen
Es ist eine wichtige Frage, mit welchen Maßstäben wir an die Bewertung unseres Lebens herangehen. Wer nur fragt: Was habe ich
verdient? Wie viel Geld hinterlasse ich meinen Erben?, der wird sich als Versager vorkommen, wenn er nicht genügend Besitz
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