Leben Ist Jetzt
sie sein. Sie können Brücken bauen
zwischen den Generationen und zwischen Konfliktparteien. Nicht umsonst werden oft ehemalige Politiker, meistens alte und reife Männer oder Frauen, als
Schlichter genommen, wenn die Tarifparteien sich ineinander verhakt haben und nicht mehr weiter kommen. Alte Menschen können offensichtlich größere
Freiheit und Souveränität vermitteln und wirken beruhigend auf die Hektik unserer Zeit. Sie rücken die Maßstäbe zurecht, die immer wieder aus dem Lot zu
geraten drohen. Bei aufgeregten Debatten, in denen man alles in Frage stellt, können sie ausgleichen und auf das Wesentliche hinweisen. Sie lassen sich
durch Krisen nicht mehr so leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Sie haben schon genügend Krisen durchgemacht.
Aber auch aus anderem Grund können sie sich in die Gesellschaft einbringen und eine wichtige Funktion erfüllen. In der nachberuflichen
Phase ist ihr großes „Kapital“ das, was sie – im Gegensatz zu früher – jetzt in Fülle haben, Zeit nämlich. Diese Zeit können sie jetzt denen
zur Verfügung stellen, die sie brauchen: Kindern, Kranken, wirklich Alten.
Es ist einfach ein Faktum, und es ist auch gut so: Die meisten Ehrenamtlichen, die sich um Kranke und Obdachlose, um
Arme und Alleingelassene kümmern, sind ältere Menschen. Sie besuchen Kranke im Krankenhaus. Sie kümmern sich um Menschen, die ihren Haushalt nicht mehr
schaffen. Sie arbeiten in den Vereinen mit, backen den Kuchen für die gemeinsamen Feste und helfen mit, wo Hilfe gebraucht wird. Einige engagieren sich in
der Hospizarbeit und blühen da auf. Sie sehen eine sinnvolle Aufgabe darin, Sterbende zu begleiten. Diese Arbeit konfrontiert sie immer auch mit dem
eigenen Tod und dem eigenen Leben. Andere sind bereit, sich für praktische Aufgaben einzusetzen, bringen die Fähigkeiten, die sie im Beruf erworben haben,
nun ehrenamtlich ein. Wieder andere organisieren einen Besuchsdienst für die Kranken und Alleinstehenden, die daheim oft ohne Ansprache sind. Sie sind
bereit, für alte Menschen einzukaufen, denen das selbst schwer fällt. Manche gehen in den Kindergarten und lesen den Kindern vor. Andere helfen jungen
Eltern, die berufstätig sind, bei der Kinderbetreuung. Solche Hilfsangebote müssen auch organisiert werden. In manchen Städten gibt es einen von
Pensionären aufgebauten Service für Hausaufgabenbetreuung, für Besorgungen des Alltags, für Gartenpflege, für Kinderbetreuung usw. Die Möglichkeiten, sich
zu engagieren, sind zahllos. Unsere Gesellschaft wäre arm ohne die vielenehrenamtlichen Helfer. Was sie tun, ist gelebte
Solidarität. Sie übernehmen Verantwortung für andere und setzen der Vereinzelung und der Einsamkeit der Massengesellschaft etwas entgegen. Sie geben
viel. Und sie bekommen auch etwas zurück, wenn sie anderen helfen: Dankbarkeit, Freude, Zufriedenheit – Lebenssinn.
Gelassenheit und Vertrauen in das Leben vermitteln
Gelassenheit und Vertrauen sind zwei Haltungen, die alten Menschen entsprechen und mit denen sie für andere Menschen zum Segen
werden. Gelassenheit hat mit Loslassen zu tun. Weil ich meine Aufgaben und mein Ego loslasse, kann ich die Menschen und die Dinge so lassen, wie sie
sind. Ich begegne ihnen gelassen, ohne den Druck, sie ändern zu müssen. Wenn ich meine hohen Erwartungen an mich selbst loslasse, kann ich auch mich so
lassen, wie ich bin. Dann wächst in mir das Vertrauen, dass das Leben so, wie es ist, gut ist. Ich vertraue mir selbst und den Menschen. Und ich vertraue
auf Gott, dass er mein Leben trägt. Das Vertrauen schenkt mir Festigkeit. Weil ich auf festem Fundament stehe, kann ich mich und die Menschen so lassen,
wie sie sind.
Ältere Menschen sollen sich nicht mit den jungen Menschen vergleichen und sich auch nicht vergleichen lassen. Im Alter sollen wir das
Vergleichen anderen überlassen und versuchen, zu unserer Rolle Ja zu sagen und unser Alter anzunehmen. Wir müssen uns nicht entschuldigen, dass wir jetzt
alt geworden sind. Im Gegenteil, wir sollen dankbar sein, dass wir dieses Alter erreicht haben. Und wir sollen darauf vertrauen, dass wir gerade als
dieser alte Mensch ein Segen sind für die Gesellschaft. Alte Menschenkönnen oft besser zuhören als junge Menschen. Sie können besser
beurteilen, was wirklich wichtig ist im Leben. Sie können manches gelassener anschauen und angehen, weil sie schon viele Erfahrungen gesammelt haben. Sie
haben mehr Weitblick als die
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