Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
tut. Einen narzisstischen Guru beobachten, der bereit ist, für seine Fernsehshow über Leichen zu gehen. Über Leichen? Zerwolf lebt. Oskar wäre jedenfalls stinksauer. Ich will nicht heimgehen, ich will nicht allein sein. Gismo ist da. Wir könnten gemeinsam fernsehen. Oskar fehlt. Oskar ist am Abend auch sonst nicht immer da. Aber für gewöhnlich ist er dann dienstlich unterwegs, das ist etwas anderes. Lass die beiden doch in Ruhe miteinander reden, Mira. Tue ich ja.
Weis hat Zerwolf bei seinen Freunden vom „Blatt“ angeschwärzt. Einen, der unter Terrorverdacht steht, will kein Fernsehsender. Und schon gar nicht einen, der in der Nacht Frauen belästigt. Diese Emma Mandelbauer habe ich noch immer nicht erreicht. Bei einer der beiden Nummern hat jemand abgehoben, aber die Frau hat gekichert und gesagt, dass man sie ganz sicher nicht der Nacht belästigt habe. Sie sei zweiundneunzig und leider an den Rollstuhl gefesselt. Hat aber sonst ganz munter geklungen und sich die Geschichte erzählen lassen. Gelesen habe sie davon, hat sie mir gesagt, sie wisse auch, dass es im Bezirk eine andere Emma Mandelbauer gebe, manchmal komme die Post an die falsche Adresse, aber leider, außer den Briefumschlägen kenne sie nichts von der anderen Mandelbauer.
Klaus muss bei mir Licht gesehen haben. Ich sehe ihn durch das halbdunkle Großraumbüro herkommen. Soll ich ihm von meinem eigenartigen Gespräch mit Berger erzählen? Nein, lieber zuerst nachrecherchieren. Sagt man nicht, dass die meisten Psychologen selbst einen Dachschaden haben? Mira, du wirst solche idiotischen Gemeinplätze doch nicht übernehmen. Sie haben jedenfalls nicht häufiger einen Dachschaden als Autorinnen oder Halbleiterhersteller oder auch Journalisten.
„Hast du was Neues?“, fragt Klaus.
„Ich bin dran“, lächle ich möglichst unverbindlich.
Der Chefredakteur sieht mich fragend an. Er ist kein Idiot. Ich sollte ihm irgendetwas bieten. Aber noch bevor ich überlegen kann, was, sagt er: „Ob du willst oder nicht, du musst der Terrorgeschichte und dem Verdacht gegen Zerwolf nachgehen. Das ‚Blatt‘ wird da nicht runtersteigen.“
Und Weis wird sich darüber sehr freuen, denke ich und sage stattdessen: „Weißt du, dass das Verfahren gegen Zerwolf schon im Jahr 2002 eingestellt wurde?“
„Weil man ihm nichts nachweisen konnte. Er ist außergewöhnlich klug, vergiss das nicht“, erinnert mich unser Chefredakteur.
„Wer klug ist, ist also automatisch verdächtig?“, erwidere ich. „Zumindest für die vom ‚Blatt‘ und ihre Leser“, schränke ich dann ein. Es gibt keinen Grund, sich mit dem Chefredakteur in die Haare zu kriegen. „Weißt du übrigens, dass Weis schon öfter bei der Recyclinganlage gesehen wurde? Mit wechselnden Jüngerinnen?“
„Das entlastet ihn doch eher“, murmelt Klaus.
So habe ich das noch gar nicht gesehen. „Auf jeden Fall weiß er, wie so eine Anlage arbeitet“, sage ich lahm.
„Ich mag ihn auch nicht“, sagt Klaus, „aber das macht ihn noch nicht zum Hauptverdächtigen.“
„Warum hast du mir eigentlich diesen Buchauftrag vermittelt?“
Klaus lächelt. „Hab ich dir das nie gesagt? Weis hat mir den Job angeboten. Ich wollte nicht. Er wollte das Buch unbedingt mit jemandem vom ‚Magazin‘ machen und hat angedeutet, dass sich das ‚Magazin‘ ja im Gegenzug zur außergewöhnlich guten Bezahlung überlegen könnte, sein Buch entsprechend zu promoten. Außerdem wäre er interessiert, für das ‚Magazin‘ eine Kolumne zu schreiben. Und auch sonst mit uns zusammenzuarbeiten.“
„Und dem hast du zugestimmt?“, frage ich entsetzt.
„Natürlich nicht, ich habe nur gesagt: ‚Wir werden sehen.‘ Ich werde natürlich nichts Derartiges tun. Gerechte Strafe für seinen indirekten Bestechungsversuch.“
Ich grinse. „Hast du Lust, mit mir essen zu gehen?“
Klaus schüttelt bedauernd den Kopf. „Hätte ich das gewusst … Und ob ich Lust hätte … Auch ohne über die Bombengeschichte zu reden … Einfach wieder einmal plaudern … und vielleicht ein paar Kollegen durchhecheln … Aber keine Chance, meine Tante hat Geburtstag. Da versammelt sich unsere Familie und es gibt kein Entkommen.“
„Klingt wie die klassische Ausrede“, spotte ich.
„Du kriegst morgen ein Familienfoto mit Datumsangabe, sieh es dir an und du wirst wissen, dass ich mit bald jemandem lieber essen gegangen wäre …“
Ich lache. Ich sollte mich in die Geschichte nicht so verbohren. In Wirklichkeit ist Guru Weis
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