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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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»Vereinigten Widerstandsbewegung der Niederlande«: » NICHT MELDEN !« Über Radio Oranje erklärte die Exilregierung in London: »Bürgermeister, Polizisten, Einwohnermeldeämter und alle im Staatsdienst, die sich an diesem Menschenraub der Deutschen beteiligen, geben Anlass, später wegen Kollaboration verfolgt zu werden.«
    Auch Het Parool meldete sich mit Flugblättern, die das Risiko nicht verschwiegen und zugleich an die »anständigen Niederländer« appellierten: »Es kann sein, dass man Euch aus dem Haus holt und auf die eine oder andere Weise versucht, sich zu rächen … Aber dieses Risiko ist noch nicht der hundertste Teil des Risikos, das die tapferen englischen und amerikanischen Jungs in der Normandie für unseren gemeinsamen Freiheitskampf gegen die Nazi-Lumpen und ihren Anhang eingehen.« Außerdem sollten alle ihre Wohnungen öffnen, um Untergetauchte aufzunehmen.
    Um den Jahreswechsel verweigerten Angestellte auf den Amsterdamer Arbeitsbüros ihre Mitarbeit an der »Liese-Aktion«. Sie wurden von NSB -Anhängern unter den Kollegen ersetzt, was die Widerstandsgruppen umgehend erfuhren. Als am Morgen des 5. Januar 1945, dem Stichtag, neun Mitarbeiter vom Arbeitsbüro in der Marnixstraat, die bereit waren, den »Menschenraub« mit zu organisieren, ihre Wohnung verließen, wurden sie von Widerstandskommandos niedergeschossen. Fünf starben, drei wurden schwer verletzt. Wenig später gab es im Büro in der Marnixstraat mehrere heftige Explosionen. Das Gebäude wurde durch einen Brandanschlag völlig zerstört.
    Nur einen Tag später, am 6. Januar, folgte die Vergeltung der Besatzer. Fünf politische Gefangene, angebliche »Todeskandidaten«, wurden aus dem Gefängnis Weteringschans in die nahe gelegene Marnixstraat gebracht. Auf der Höhe des zerstörten Gebäudes mussten Passanten zusehen, wie ein Exekutionskommando aus deutschen Soldaten die Gewehre anlegte. »Feuer« brüllte der Anführer, und fünf Männer fielen tödlich getroffen zu Boden. Sekunden der Stille. Dann wieder Gebrüll: »Abtreten« – und das verhasste Geräusch der Stiefel auf dem Pflaster hallte die Straße entlang. Was die Amsterdamer nicht ahnten: Die fünf ermordeten Gefangenen mussten »nur« aus Rache für den Brandanschlag sterben. Für die Deutschen blieb noch eine Rechnung in Bezug auf den 5. Januar offen. Allerdings ließen sie sich Zeit mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen.
    Rozenoord – Wer sich losmacht vom Lärm, der gleichmäßig über die Rozenoord-Brücke rauscht, für den wird es ganz still. Unter dem Beton der Amsterdamer Stadtautobahn fließt am südöstlichen Rand der Hauptstadt in einer breiten Kehre die Amstel nach Norden. Auf dem Wasser dümpeln kleine Yachten und Boote, und Bäume säumen den Amsteldijk. Um 1900 entstand hier, am »Rosenort«, ein Rosenzuchtbetrieb mit Rosengarten und Teepavillon für die Spaziergänger. In den dreißiger Jahren wurde das beliebte Ausflugsziel der Amsterdamer aufgegeben. Jetzt läuft im Schatten der Brücke und einen verwunschenen Kanal entlang, parallel zum Friedhof Zorgvlied, der Cesar Willem Ittmannpad. (In manchen Stadtplänen irrtümlich Dr. C. Wittemannpad genannt.) Kurz bevor der schnurgerade Pfad auf das südliche Ende vom Amsteldijk stößt, wird über Büsche und Unterholz ein kleiner Platz einsehbar. Dort steht ein schmaler Block aus hellem Stein, an seiner Breitseite eine bronzene Platte: »Auf diesem Platz wurden in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs über 100 Niederländer durch die deutschen Besatzer erschossen.«
    18. Januar 1945 – Es ist ein Freitag, bitterkalt. Autos der Besatzer mit Wehrmachtsoldaten und elf Gefangenen fahren zum Rozenoord am südlichen Amsteldijk. Die folgende Erschießung am Stadtrand ist die Vergeltungsmaßnahme der Besatzer für den Anschlag der Widerstandskämpfer am 5. Januar auf neun Mitarbeiter, die in den Arbeitsämtern die »Liese-Aktion« unterstützt hatten. Adam Petrus Rooth, geboren 1903, ist der Älteste der Ermordeten, Willem Teunis Meedendorp, Jahrgang 1922, der Jüngste. Alle elf Männer waren in einem der Amsterdamer Arbeitsbüros beschäftigt und willkürlich als Geiseln verhaftet worden.
    Im Gegensatz zu bisherigen Hinrichtungen politischer Gefangener in den Straßen Amsterdams, wo zur Abschreckung Augenzeugen erwünscht waren, starben die Männer am Rozenoord in großer Einsamkeit. Waren diese Januar-Morde eine einmalige Entscheidung der Besatzer oder wollten sie einen Teil ihres Terrors in Zukunft

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