Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
wahrscheinlich mithilfe der Auswertung physiologischer Daten im großen Maßstab erzielen. Die Ausrottung der Krankheit wird den Tod zu einem physiologischen Ereignis gleich dem Schlaf machen. Eine Generation, die gemeinsam gelebt hat, wird auch gemeinsam sterben.
Es war ein Resümee seiner Gedanken und gleichzeitig eine bemerkenswerte Voraussage, als Haldane über die Bazillentheorie sagte: »Das ist eine Katastrophe für die Medizin, denn wir werden uns auf diese Bazillen fixieren und das System darüber vergessen.« Schon vor 90 Jahren hat er das richtig vorausgesehen! Als Gesellschaft und als Menschen, die verzweifelt nach Schuldigen für unsere Gesundheitsprobleme suchen, haben wir angefangen, Annahmen zu machen. Wir nahmen an, dass unsere Beschwerden aus der Außenwelt kommen, was eine absolut falsche Annahme war, sobald es um Leiden ging, die nichts mit Bazillen, aber alles mit unserer Innenwelt zu tun hatten.
Die Genetik des Infektionsdenkens
Die Bazillentheorie bedeutete eine Katastrophe für die Behandlung von Krankheiten wie Krebs, weil Fachleute wie Laien anfingen, sie fast wie Infektionskrankheiten zu betrachten. Das wurde zu einer Gewohnheit, die bis heute anhält. Wenn ein Patient zum Arzt kommt, erhält er zunächst eine Diagnose, die ihn in eine bestimmte Kategorie platziert – zum Beispiel Diabetes anstatt Zöliakie –, und bekommt dann eine Behandlung, die sich für diese Kategorie von Krankheiten als wirksam erwiesen hat – zum Beispiel Kontrolle der Insulinaufnahme anstatt Vermeidung von Gluten. Bei Krebs bedeutet das, dass die Ärzte diesen wie einen Eindringling behandeln, indem sie ihn herauszuschneiden und zu vergiften versuchen. Die genaue Therapie hängt vom befallenen Körperteil ab, etwa der Brust oder der Prostata.
Aber Krebs ist längst nicht so einfach zu behandeln wie eine Infektionskrankheit. Diagnose, Kategorisierung und Behandlung sind bei Infektionen absolut sinnvoll, weil diese immer einer bestimmten Art angehören – sie lassen sich also genau einordnen und müssen als die Eindringlinge behandelt werden, die sie ja sind. Wenn wir die Achillesferse eines Krankheitserregers erkennen und angreifen, sei er ein Bakterium oder ein Virus, dann haben wir gewonnen. Über den Wirtsorganismus müssen wir dazu gar nichts wissen; wir müssen nur den Eindringling kennen und wissen, wie wir ihn abtöten. Das Problem ist auch eines des Maßstabs – bei Infektionskrankheiten haben wir es nur mit einer Größenordnung zu tun, der des Virus oder Bakteriums. Bei anderen Krankheiten des Menschen sind es dagegen mehrere Größenordnungen, etwa die erkrankte Zelle, das Organ, in dem sie sitzt, andere damit zusammenhängende Organe, der ganze Körper und so weiter. Es ist nicht mehr ein Kampf eines gegen einen, in dem man nur die richtige Waffe braucht, sondern ein undurchschaubarer Wirrwarr aus Kämpfen; manche ähneln einem kleinen Bürgerkrieg, andere dagegen einem großen Krieg zwischen Staaten.
Um zu verstehen, mit welcher Komplexität sich eine Krankheit wie Krebs ausbreitet und inwiefern sie keine Ähnlichkeit mit Infektionskrankheiten hat, sehen wir uns einmal an, wie das amerikanische National Cancer Institute auf seiner Webseite [1] den Krebs beschreibt:
Die Grafik zeigt ziemlich gut, wie sich Zellen teilen und dass der springende Punkt die erhöhte Zellwachstumsrate und die Unfähigkeit der Krebszelle zum programmierten Zelltod (Apoptose) ist. Aber die Abbildung zeigt nicht alles; eine entscheidende Komponente fehlt.
Lange Zeit hindurch wussten wir nicht, was Krebs verursacht und warum sich Tumore bilden, aber wir hatten eine vage Ahnung, dass es sich um ein Problem des Systems handeln musste – eine tiefgreifende Fehlfunktion des Körpers, die nicht unbedingt durch Chirurgie oder Gift zu lösen sein würde.
Gelegentlich wird behauptet, Krebs sei eine Krankheit der Moderne und es seien die Fehler unserer industrialisierten Welt – womit die Schuld auf Umweltverschmutzung, ungesunde Ernährung und äußerliche Toxine gelenkt wird –, die einen Anstieg der Krebsraten verursachten; aber dem widerspreche ich. Zwar wird Krebs oft als Symbol unserer modernen Überflussgesellschaft verstanden, aber er ist als Krankheit so alt wie die Menschheit und schon seit dem Altertum dokumentiert. Sieben ägyptische Papyri aus der Zeit zwischen 3000 und 1500 v. Chr. beschreiben spezifische Symptome, die mit der heutigen Beschreibung von Krebserkrankungen übereinstimmen. Der Papyrus
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