Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
dominiert und in vieler Hinsicht definiert hat. Laut dieser Theorie muss man nur herausfinden, mit welchen Bakterien oder Viren man sich infiziert hat, um das Problem zu lösen und zu wissen, wie man die Krankheit behandeln muss. Das wurde zum allgemeinen Paradigma der Medizin. Der Arzt führte einen Labortest durch, um den Verursacher der Infektion zu bestimmen, und wandte dann eine auf die betreffenden Krankheitserreger abzielende Behandlung an. Diese Behandlung befasste sich nur mit dem eindringenden Organismus, etwa dem Bakterium, das Tuberkulose auslöst, oder dem Parasiten, der Malaria überträgt; sie kümmerte sich nicht darum, den Wirtsorganismus (den Menschen) zu definieren oder zu verstehen, oder auch nur um den Ort der Infektion. Deshalb bekommt jeder Patient mit einer bestimmten Infektionskrankheit dasselbe Medikament.
Das ist es, was Ärzte zu tun versuchen: die Krankheit zu bestimmen – zu diagnostizieren – und dann diese diagnostizierte Krankheit nach der besten bekannten Methode zu behandeln. Diese Strategie ermöglicht auch der Wissenschaft eine Beteiligung, denn sie kann objektiv testen, ob eine bestimmte Behandlung erfolgreich ist, wenn eine bestimmte Diagnose vorliegt. Hilft Chinin gegen die Symptome der Malaria? Ist Penicillin das beste Mittel gegen Milzbrand? Hat die Wissenschaft einmal die beste Behandlung nachgewiesen, dann wenden die Ärzte sie an. Diagnose, Behandlung. Diagnose, Behandlung. Die Patienten hoffen, dass die Wissenschaft Fortschritte bei der Verbesserung unserer Gesundheit macht, und deshalb müssen wir diese Methoden anzweifeln und uns fragen, ob es nicht andere, bessere Wege gibt – besonders für Krankheiten unseres Systems wie Herzleiden und Krebs im Gegensatz zu Infektionskrankheiten, die durch von außen eindringende Erreger verursacht werden.
Dieser wissenschaftliche Ansatz in der Medizin ist relativ neu. Früher hatten die Ärzte Theorien, die dem traditionellen hinduistischen System der Ayurveda-Medizin ähnelten, die das Gleichgewicht bestimmter Kräfte im Körper anstrebt. Ein mittelalterlicher europäischer Arzt hätte vielleicht versucht, Sie weniger »cholerisch« oder stärker »phlegmatisch« einzustellen. Wie in der ostasiatischen Philosophie stand dahinter die Vorstellung, man müsse eine Ordnung der verschiedenen Kräfte des Körpers wiederherstellen. Dieser Ansatz in der Medizin, der den Körper als ein Ganzes respektierte, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts besonders im Westen fast völlig aufgegeben, wo uns der Triumph über die Krankheitserreger vom Weg abbrachte. Umso interessanter ist es, dass zu einer Zeit, als die Krankheitserregertheorie sich explosiv ausbreitete und gerade die Antibiotika entdeckt wurden, der angesehene Genetiker J. B. S. Haldane in einem Vortrag in Cambridge am 4. Februar 1923 Folgendes sagte:
Die jüngere Medizingeschichte verlief wie folgt: Bis ungefähr 1870 gründete sich die Medizin größtenteils auf die Physiologie, auf die »Institutes of Medicine«, wie man das in Schottland nannte. Die Krankheit wurde vom Patienten aus betrachtet, wie man es bei Verletzungen noch immer tut. Pasteurs Entdeckung der Ursachen von Infektionskrankheiten veränderte den gesamten Ansatz und ermöglichte die Auslöschung einer ganzen Gruppe von Krankheiten. Aber sie brachte auch die medizinische Wissenschaft von ihrem bisherigem Weg ab, und es ist wahrscheinlich, dass, wären die Bakterien unentdeckt geblieben, zwar viel mehr Menschen an Sepsis und Typhus sterben würden, wir aber besser mit Nierenerkrankungen und Krebs umgehen könnten. Bestimmte Krankheiten wie Krebs werden wahrscheinlich nicht von spezifischen Organismen verursacht, während andere, wie etwa die Tuberkulose, von Erregern verursacht werden, die für die meisten Menschen ziemlich harmlos sind, andere Menschen aber aus unbekannter Ursache schwer erkranken lassen. Mit ihnen könnten wir uns nach Pasteurs Methode kaum erfolgreich befassen; wir müssten unseren Blick von der Mikrobe auf den Patienten richten. Wo der Arzt gegen die Erstere machtlos ist, kann er oft den Patienten lange genug am Leben erhalten, bis dieser selbst damit fertig wird. Und hier muss er sich größtenteils auf das Wissen aus der Physiologie stützen. Ich behaupte nicht, dass man Physiologe sein muss, um zu entdecken, wie man sich vor Krebserkrankungen schützt. Pasteur begann seine Laufbahn als Kristallograf. Der tatsächliche Entdecker einer solchen Krebsprävention wird seinen Durchbruch aber
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