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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Mittagstisch, »gebildet, ehrlich. Das Schlimme ist nur, dass er ein grässlicher Asket ist. Ein Kloster hat er gegründet. Ich aber bin ganz scharf auf Mädchen, bin spitz wie Lumpi. Wenn Gurtjew dabei ist, dann gnade dir Gott, wenn du es wagst, einen Witz zu reißen. Doch kämpfen lässt sich’s mit ihm im Allgemeinen prima. Aber der Kommissar mag mich nicht, obwohl er seiner Natur nach ebenso wenig ein Mönch ist wie ich. Glauben Sie, Stalingrad hätte mich älter werden lassen? Dank dieser Freunde bin ich hier wieder völlig auf den Damm gekommen.«
    »Ich gehöre ja auch diesem Schlag an«, sagte Krymow.
    »Ja und nein. Der Wodka allein macht’s nicht, sondern das da« – er tippte mit dem Finger an die Flasche und dann an die Stirn.
    Sie hatten die Mahlzeit schon beendet, als der Kommandeur und der Kommissar der Division von Tschuikows Gefechtsstand zurückkehrten.
    »Was gibt’s Neues?«, fragte Gurtjew rasch und streng mit einem Blick auf den Tisch.
    »Also, den Führer des Verbindungstrupps haben sie uns verwundet, an der Naht sind die Deutschen mit Scholudew zusammengerempelt, das Häuschen an der Naht von Tschamow und Michalew haben sie angezündet. Tschamow hat geniest und ein bisschen zu viel Rauch geschluckt, aber im Allgemeinen war nichts Besonderes«, antwortete Sawrassow.
    Swirin betrachtete Sawrassows gerötetes Gesicht und sagte gedehnt in liebevoll-spöttischem Ton: »Nur zu, Genosse Oberst, immer mal wieder einen heben.«
    58
    Der Divisionskommandeur erkundigte sich bei dem Regimentskommandeur, Major Berjoskin, nach der Lage im Haus »sechs Strich eins«; ob es nicht besser wäre, die Leute von dort wegzuholen?
    Berjoskin riet dem Divisionskommandeur, die Leute nicht herauszuholen, obwohl dem Haus die Einkesselung drohe. In dem Haus befänden sich die Beobachtungsstände, die die Artillerie jenseits der Wolga im Auge behielten und wichtige Daten über den Gegner übermittelten. In dem Haus befände sich außerdem ein Pioniertrupp, der die Bewegung der Deutschen in panzergefährdeten Frontabschnitten lahmlegen könne. Die Deutschen würden kaum zu einem allgemeinen Angriff ansetzen, bevor sie nicht dieses Widerstandsnest ausgeräumt hätten, ihre Regeln kenne man gut. Aber mit etwas Unterstützung könne sich das Haus »sechs Strich eins« lange halten und damit das deutsche Konzept durcheinanderbringen. Da die Melder sich nur in wenigen Nachtstunden in das belagerte Haus durcharbeiten könnten, die Fernsprechverbindung aber dauernd abreiße, wäre es gut, einen Funker mit einem Sendegerät hinüberzuschaffen.
    Der Divisionskommandeur stimmte Berjoskin zu. In der Nacht konnte der Politruk Soschkin mit einer Gruppe Rotarmisten in das Haus »sechs Strich eins« vordringen und seinen Verteidigern ein paar Kisten Patronen und Handgranaten übergeben. Zugleich brachte Soschkin eine junge Funkerin und einen Sender, den man aus der Nachrichtenzentrale geholt hatte, dorthin.
    Der gegen Morgen zurückgekehrte Politruk erzählte, dass der Kommandeur des Trupps sich geweigert habe, einen Rechenschaftsbericht zu schreiben, mit der Begründung: »Ich hab keine Zeit, mich mit blödem Papierkram zu befassen. Wir legen nur vor den Fritzen Rechenschaft ab.«
    »Überhaupt blickt man bei denen dort nicht durch«, sagte Soschkin, »alle fürchten diesen Grekow, er aber geht mit ihnen wie mit Gleichgestellten um; sie schlafen alle in einer Reihe und er mitten unter ihnen; sie duzen ihn und nennen ihn ›Wanja‹. Verzeihen Sie, Genosse Regimentskommandeur, das ist keine militärische Unterabteilung, sondern eine Pariser Kommune.«
    Berjoskin fragte kopfschüttelnd: »Hat sich geweigert, den Rechenschaftsbericht zu schreiben? So ein Teufelskerl!«
    Daraufhin hielt der Regimentskommissar Piwowarow eine Rede über die Partisanenkommandeure.
    Berjoskin sagte besänftigend: »Partisanentum, was ist schon dabei? Initiative und Selbstständigkeit ist das. Manchmal träume ich selber davon. Wenn ich doch nur mal in einen Kessel geriete und mich von all diesem Papierkrieg erholen könnte.«
    »Apropos Papierkrieg«, sagte Piwowarow. »Sie schreiben einen ausführlichen Bericht. Ich werde ihn dem Divisionskommissar übergeben.«
    In der Division zog Soschkins Rapport ernste Konsequenzen nach sich.
    Der Divisionskommissar befahl Piwowarow, ausführliche Angaben über die Lage im Haus »sechs Strich eins« einzuholen und Grekow den Kopf zurechtzusetzen. Zugleich erstattete der Divisionskommissar einem Mitglied des Kriegsrats

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