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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Ljudmila Nikolajewna mit ihrem Haushalt beschäftigt. Sie wickelte einen Lumpen um eine Bürste und wischte damit den Staub von den Decken und Wänden. Sie wusch den Staub vom Lüster, brachte die vertrockneten Blumen zum Hintereingang, räumte einen Haufen Kram, Altpapier und Lumpen zusammen. Nadja leerte murrend dreimal den Mülleimer aus.
    Dann wurde das Koch- und Essgeschirr gespült, und Viktor Pawlowitsch trocknete unter Anleitung seiner Frau Teller, Gabeln und Messer ab, das gute Teegeschirr vertraute sie ihm nicht an. Dann wusch sie im Bad Wäsche, zerließ Fett auf dem Herd und sortierte die aus Kasan mitgebrachten Kartoffeln.
    Strum rief Sokolow an. Marja Iwanowna kam an den Apparat und sagte: »Ich habe Pjotr Lawrentjewitsch schlafen geschickt. Er war so erschöpft von der Reise, aber wenn es etwas Wichtiges ist, wecke ich ihn.«
    »Nein, nein, ich wollte nur ein wenig plaudern«, sagte Strum.
    »Ach, ich bin so glücklich«, sagte Marja Iwanowna. »Ich könnte immerzu weinen.«
    »Kommen Sie doch rüber«, schlug Strum vor. »Oder haben Sie heute Abend schon was vor?«
    »Ach, gehen Sie, heute doch nicht«, sagte Marja Iwanowna lachend. »Ljudmila Nikolajewna und ich haben viel zu viel zu tun«.
    Sie erkundigte sich nach der Stromsperre und der Wasserleitung, doch er fertigte sie überraschend grob ab: »Da gebe ich Ihnen lieber Ljudmila. Sie kann mit Ihnen über Wasserleitungen sprechen.« Dann fügte er scherzhaft hinzu: »Schade, dass Sie nicht kommen, sonst hätten wir Flauberts ›Max und Moritz‹ lesen können.«
    Aber sie ging nicht auf seinen Scherz ein und sagte: »Ich rufe später noch mal an. Wenn ich mit dem einen Zimmer schon so viel Arbeit habe, was muss dann erst Ljudmila Nikolajewna alles zu tun haben.«
    Strum merkte, dass sie sein grober Ton verletzt hatte. Plötzlich sehnte er sich nach Kasan zurück. Wie seltsam der Mensch doch konstruiert war.
    Strum rief die Postojews an, doch deren Telefon war offenbar abgestellt.
    Er rief den Doktor der Physik, Gurewitsch, an, erfuhr aber von dessen Nachbarn, dass er zu seiner Schwester nach Sokolniki gefahren sei.
    Dann rief er Tschepyschin an, aber dort meldete sich niemand.
    Plötzlich klingelte das Telefon, und eine Jungenstimme verlangte Nadja, die gerade mit dem Mülleimer unterwegs war.
    »Wer ist denn dran?«, fragte Strum.
    »Das ist unwichtig, ein Bekannter.«
    »Vitja, jetzt reicht’s aber mit dem Telefonieren. Hilf mir lieber, den Schrank wegzurücken«, rief Ljudmila Nikolajewna.
    »Mit wem telefonier ich denn schon«, sagte Strum. »Mich kann in Moskau offenbar keiner gebrauchen. Wenn du mir wenigstens was zu essen gäbest. Sokolow hat sich schon vollgefressen und schläft.«
    Es schien, als habe Ljudmila die Wohnung viel unordentlicher gemacht, als sie war. Überall lagen Haufen von Wäsche. Aus den Schränken geräumtes Geschirr stand auf dem Boden, Pfannen, Töpfe und Säcke bildeten Hindernisse in den Zimmern und auf dem Gang.
    Strum dachte, Ljudmila würde in der ersten Zeit nicht in Toljas Zimmer gehen, aber er täuschte sich.
    Mit bekümmerten Augen und gerötetem Gesicht sagte sie: »Vitja, Viktor, stell bitte die chinesische Vase wieder in Toljas Zimmer auf den Bücherschrank. Ich hab sie gespült.«
    Wieder läutete das Telefon, und Strum hörte, wie Nadja sagte: »Grüß dich – nein, ich war nicht fort. Mama hat mich nur mit dem Mülleimer runtergejagt.«
    Und Ljudmila Nikolajewna trieb ihn an: »Vitja, hilf mir doch, schlaf nicht ein, es ist noch so viel zu tun.«
    Was für ein mächtiger Instinkt wohnt doch im Herzen einer Frau. Und wie stark und einfach er ist.
    Gegen Abend war die Unordnung besiegt. Die Zimmer wurden warm und nahmen wieder ihr vertrautes Aussehen an, das sie vor dem Krieg gehabt hatten.
    Sie aßen in der Küche. Ljudmila Nikolajewna hatte Schmalzfladen gebacken und Hirseplätzchen aus der Grütze, die sie am Tag gekocht hatte.
    »Wer hat dich denn angerufen?«, fragte Strum Nadja.
    »Ach, ein Junge«, antwortete Nadja und lachte. »Er ruft schon seit vier Tagen hier an. Jetzt hat er’s endlich geschafft.«
    »Hast du denn mit ihm korrespondiert? Hast du ihm geschrieben, dass du kommst?«, fragte Ljudmila Nikolajewna erstaunt.
    Nadja zog ärgerlich die Brauen hoch und zuckte die Schultern.
    »Wenn doch mich mal einer anriefe«, sagte Strum.
    Nachts wachte er auf. Ljudmila stand im Nachthemd vor der offenen Tür zu Toljas Zimmer und sagte: »Siehst du, Toljenka, ich hab alles geschafft und

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