Leben und Schicksal
Generaloberst Freiherr von Weichs, mitgeteilt, dass am 20. November für den Bereich Stalingrad der weitere Einsatz von Spähtrupps vorgesehen sei.
Am Abend gab von Weichs Paulus den Befehl, alle offensiven Aktionen in Stalingrad zu beenden, bedeutende Panzer- und Infanterieverbände sowie Panzerabwehrmittel bereitzuhalten und sie gestaffelt hinter der eigenen linken Flanke zu konzentrieren, um einen Schlag in Richtung Nordwesten führen zu können.
Dieser Befehl, den Paulus um 22 Uhr erhielt, stellte das Ende der deutschen Offensive in Stalingrad dar.
Die stürmische Entwicklung der Ereignisse machte auch diesen Befehl gegenstandslos.
Am 21. November drehten die sowjetischen Stoßverbände, die von Kletskaja und Serafimowitsch aufgebrochen waren, um neunzig Grad von ihrer früheren Route ab, vereinten sich und drangen im Bereich von Kalatsch und weiter nördlich zum Don vor, geradewegs ins Hinterland der deutschen Stalingradfront.
An diesem Tag erschienen vierzig sowjetische Panzer am hohen Westufer des Don, einige Kilometer von Golubinskaja entfernt, wo sich der Befehlsstand der Paulus-Armee befand. Eine andere Gruppe von Panzern eroberte mit einem Schlag die Brücke über den Don – die Bewacher der Brücke hielten die sowjetische Panzereinheit für eine Ausbildungskompanie, die mit erbeuteten Panzern ausgerüstet war und die oft diese Brücke benutzte. Sowjetische Panzer fuhren auch in Kalatsch ein. Die Umzingelung von zwei deutschen Stalingrad-Armeen – der 6. von Paulus und der 4. Panzerarmee von Hoth – deutete sich an. Um Stalingrad vom Hinterland her zu verteidigen, drehte eine der besten Einheiten von Paulus, die 384. Infanteriedivision, nach Nordwesten.
Gleichzeitig überrannten die vom Süden angreifenden Truppen von Jeremenko die 29. motorisierte deutsche Infanteriedivision, zerschlugen das sechste rumänische Armeekorps und bewegten sich zwischen den Flüssen Tscherwiennaja und Donskaja Zariza zur Eisenbahnlinie Kalatsch–Stalingrad.
In der Dämmerung näherten sich die Panzer Nowikows dem stark befestigten Widerstandszentrum der Rumänen.
Diesmal zögerte Nowikow nicht. Er nutzte die nächtliche Dunkelheit nicht zu einer verdeckten heimlichen Konzentration der Panzer vor dem Angriff. Auf seinen Befehl hin schalteten alle Fahrzeuge auf einmal, nicht nur die Panzer, sondern auch die Selbstfahrlafetten, die gepanzerten Transporter und Lkws mit motorisierter Infanterie ihr volles Licht ein.
Hunderte von leuchtenden, blendenden Scheinwerfern durchdrangen die Dunkelheit. Eine riesige Menge von Fahrzeugen raste aus der Steppenfinsternis, betäubte den Gegner durch Lärm, Geschützfeuer, Maschinengewehrsalven, blendete ihn mit stechendem Licht, lähmte die rumänische Verteidigung durch die erzeugte Panik.
Nach kurzem Kampf setzten die Panzer ihren Vormarsch fort. In der ersten Tageshälfte des 22. November drangen die aus der Kalmückensteppe kommenden Panzer in Businowka ein. Am Abend trafen sich östlich von Kalatsch, im Rücken der deutschen Armeen von Paulus und Hoth, die ersten vom Süden und Norden vorstoßenden sowjetischen Panzerverbände. Am 23. November rückten die Schützenverbände zu den Flüssen Tschir und Aksai vor und sicherten die äußeren Flanken der Stoßtruppen.
Die Aufgabe, die das Oberkommando der Roten Armee den Truppen gestellt hatte, war gelöst. Die Einkesselung der Deutschen war innerhalb von hundert Stunden vollzogen worden.
Wie war nun der weitere Verlauf dieser Ereignisse? Was bestimmte ihn? Wessen menschlicher Wille formte das Schicksal?
Am 22. November um 18 Uhr funkte Paulus an den Stab der Heeresgruppe B:
»Armee eingeschlossen. Ganzes Zariza-Tal, Eisenbahn von Sowjetski bis Kalatsch, dortige Donbrücke, Höhen auf dem Westufer Don bis Golubinskaja, Oskinski und Kraini trotz heldenhaften Widerstandes in Händen der Russen … Munitionslage gespannt, Verpflegung reicht für sechs Tage … Handlungsfreiheit für den Fall, dass Igelbildung im Süden nicht gelingt. Lage kann dann zwingen, Stalingrad und Nordfront aufzugeben …«
In der Nacht zum 22. November bekam Paulus von Hitler den Befehl, das von seiner Armee besetzte Gebiet »Festung Stalingrad« zu nennen.
Der vorausgegangene Befehl hatte gelautet: »Der Oberbefehlshaber begibt sich mit seinem Stab nach Stalingrad. Die 6. Armee igelt sich ein und wartet weitere Befehle ab.«
Nach der Besprechung zwischen Paulus und den Korpskommandeuren telegrafierte der Befehlshaber der Heeresgruppe B, Freiherr von
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