Leben und Schicksal
Sterne befasst, und dabei ist mir aufgegangen, dass man mit dem grauen Fleckchen lebendigen Schleims nicht scherzen sollte. Denken Sie an den ersten Zweig der Evolution – vom Niedrigsten zum Höchsten. Ein Mensch wird kommen, mit allen Attributen Gottes ausgestattet: allwissend, allmächtig, allgegenwärtig. Im kommenden Jahrhundert wird die Frage der Verwandlung von Materie in Energie und die Schaffung lebendigen Stoffes gelöst werden. Parallel wird die Entwicklung in Richtung auf die Überwindung des Raumes, auf die Erreichung extremer Geschwindigkeiten verlaufen. In ferneren Jahrtausenden wird sich der Fortschritt die höchsten Arten der Energie zunutze machen – die psychischen.«
Plötzlich tat Strum das, was Tschepyschin sagte, nicht mehr als leeres Gerede ab. Er bemerkte, dass er mit dem, was Tschepyschin sagte, nicht einverstanden war.
»Der Mensch wird sich darauf verstehen, Inhalt und Rhythmus der psychischen Tätigkeit vernunftbegabter Wesen auf den Wertskalen der Geräte zu materialisieren, und das in der ganzen Metagalaxis. Die Bewegung der psychischen Energie im Raum, den das Licht in Millionen Jahren durchfliegt, wird blitzschnell erfolgen. Die Eigenschaft Gottes – die Allgegenwart – wird zur Errungenschaft des Verstandes. Doch der Mensch wird nicht haltmachen, es wird ihm nicht genügen, Gott gleich zu sein. Er wird sich an Aufgaben machen, denen Gott nicht gewachsen war. Er wird mit vernünftigen Wesen der höchsten Stufen des Weltalls Kontakt aufnehmen, mit Wesen aus einem anderen Raum und einer anderen Zeit, für die die gesamte Menschheitsgeschichte lediglich ein augenblickliches, undifferenziertes Aufleuchten ist. Er wird bewusst den Kontakt mit dem Leben im Mikrokosmos suchen und finden, dessen Evolution wiederum nur ein Augenblick für den Menschen ist. Es wird die Zeit kommen, da der Mensch vollends die Kluft zwischen Raum und Zeit vernichtet. Und er, der Mensch, wird von oben auf Gott herabschauen.«
Strum nickte mehrmals, dann begann er zu sprechen: »Dmitri Petrowitsch, als ich Ihnen zu Beginn zuhörte, dachte ich, dass mir jetzt nicht nach Philosophie zumute sei, dass man mich verhaften könnte – da hat man keinen Kopf fürs Philosophieren. Doch plötzlich vergaß ich Kowtschenko und Schischakow und den Genossen Berija und dass man mich morgen wie einen räudigen Hund aus meinem Labor fortjagen und übermorgen vielleicht verhaften wird. Aber wissen Sie, ich empfand keine Freude, während ich Ihnen zuhörte, sondern Verzweiflung. Ja, wir sind weise, und Herkules erscheint uns wie ein Rachitiker. Und zur gleichen Zeit morden die Deutschen jüdische Greise und Kinder wie tollwütige Hunde, und wir hatten das Jahr 1937 und die Kollektivierung mit der Zwangsumsiedlung von Millionen unglücklicher Bauern, mit Hungersnot und Kannibalismus … Wissen Sie, früher kam mir alles einfach und klar vor. Nach all den schrecklichen Verlusten aber wurde alles kompliziert und verworren. Der Mensch wird von oben auf Gott herabschauen, aber wird er nicht auch von oben auf den Teufel herabschauen und ihn übertrumpfen? Sie sagen, Leben ist Freiheit. Doch ob die Menschen in den Lagern auch so denken? Wird das Leben seine Macht im Weltall nicht gar darauf verwenden, eine Sklaverei zu errichten, die schlimmer sein wird als die Sklaverei der leblosen Materie, von der Sie sprachen? Bitte, sagen Sie mir: Wird jener zukünftige Mensch in seiner Güte Christus übertreffen? Das ist doch die Hauptsache! Sagen Sie mir: Was wird die Macht eines allgegenwärtigen und allwissenden Wesens der Welt bringen, wenn dieses Wesen mit unserer heutigen zoologischen Selbstgefälligkeit behaftet bleibt, mit unseren Egoismen – klassenbedingten, rassischen, staatlichen, privaten? Wird dieser Mensch vielleicht die ganze Welt in ein galaktisches Konzentrationslager verwandeln? Ja, ja, sagen Sie es mir: Glauben Sie an die Evolution der Güte, der Moral, der Barmherzigkeit? Ist der Mensch zu dieser Evolution fähig?«
Strum verzog schuldbewusst das Gesicht.
»Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen so beharrlich diese Frage stelle, sie ist wohl noch abstrakter als die Gleichungen, über die wir sprachen.«
»Keineswegs so abstrakt«, sagte Tschepyschin. »Und ebendarum hat sie in mein Leben eingegriffen. Ich habe mich entschlossen, nicht an den Arbeiten teilzunehmen, die auf eine Spaltung des Atoms abzielen. Dem Menschen mangelt es heute am Guten und an der Güte, um ein vernünftiges Leben zu führen. Sie sprachen selbst
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