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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Schicksal«; die Exemplare des Manuskripts, die sich in den Redaktionen von »Snamja« und »Nowy mir« befanden, wurden ebenfalls konfisziert.
    So endete mein Gang in die Redaktionen, die häufig Beiträge von mir gedruckt haben; so lautete ihre Antwort auf meine Bitte, meinen in zehnjähriger Arbeit entstandenen Roman zu prüfen.
    Nach der Beschlagnahmung des Manuskripts wandte ich mich an Genosse Polikarpow im ZK der KPdSU. Er verurteilte mein Werk aufs Schärfste und empfahl mir, nachzudenken, mir die Falschheit und Schädlichkeit meines Buches bewusstzumachen und mich mit einem Brief ans ZK der KPdSU zu wenden.
    Seither ist ein Jahr vergangen. Ich habe unablässig über die Katastrophe nachgedacht, die in meinem Schriftstellerleben eingetreten ist, und über das tragische Schicksal meines Buches.
    Ich möchte Ihnen meine Gedanken offen und ehrlich mitteilen. Zuvor muss ich aber Folgendes sagen: Ich bin nicht zu dem Schluss gekommen, dass mein Buch die Unwahrheit enthält. Ich habe darin das geschrieben, was ich für die Wahrheit gehalten habe und weiterhin halte; ich habe nur geschrieben, was ich durchdacht, gefühlt und durchlitten habe.
    Mein Roman ist kein politisches Buch. Ich habe darin im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten über Menschen gesprochen, über ihren Kummer, ihre Freude, ihre Irrtümer, ihren Tod, ich habe über die Liebe zu den Menschen und das Mitleid mit ihnen geschrieben.
    In meinem Buch gibt es bittere, schwere Kapitel, die sich mit unserer jüngsten Geschichte und dem Krieg befassen. Diese Kapitel zu lesen mag vielleicht nicht leicht sein. Aber glauben Sie mir, sie zu schreiben war auch nicht leicht, doch ich musste sie einfach schreiben.
    Ich habe mit dem Buch vor dem 20.Parteitag 2 begonnen, noch zu Lebzeiten Stalins. Damals schien es nicht die geringste Hoffnung auf Veröffentlichung des Romans zu geben. Und dennoch schrieb ich ihn.
    Ihre Rede auf dem 20. Parteitag verlieh mir Zuversicht, sind doch die Gedanken, Gefühle und Schmerzen eines Schriftstellers Teil der allen gemeinsamen Gedanken, des gemeinsamen Schmerzes und der gemeinsamen Wahrheit.
    Als ich das Manuskript in der Redaktion abgab, ging ich davon aus, dass es zwischen Autor und Redakteur zu Diskussionen kommen, dass der Redakteur fordern würde, das Buch um einige Seiten, vielleicht auch Kapitel, zu kürzen.
    Koschewnikow, der Redakteur von »Snamja«, sowie die Leiter des Schriftstellerverbandes Markow und Schtschipatschew, die das Manuskript gelesen hatten, sagten mir, das Buch sei nicht zu veröffentlichen, es sei schädlich. Sie erhoben jedoch nicht den Vorwurf der Lüge gegen den Roman. Einer der Genossen sagte: »Das alles war so oder hätte so sein können, und auch Menschen wie die im Buch dargestellten hat es gegeben oder hätte es geben können.« Ein anderer sagte: »Man wird das Buch frühestens in zweihundert Jahren drucken können.«
    Ihre Rede auf dem 22.Parteitag 3 hat sämtliche Irrtümer und alles Schlechte, das in unserem Land unter Stalins Herrschaft geschehen ist, in ein neues Licht gestellt und mich in meinem Bewusstsein bestärkt, dass mein Roman Leben und Schicksal nicht der Wahrheit widerspricht, die Sie ausgesprochen haben, dass wir heute bereits im Besitz der Wahrheit sind und nicht erst in zweihundertfünfzig Jahren sein werden.
    Umso schrecklicher ist es für mich, dass mir mein Buch mit Gewalt genommen wurde. Ich hänge an diesem Buch wie ein Vater an seinen Kindern. Mir das Buch wegzunehmen ist dasselbe, wie einem Vater sein Kind wegzunehmen.
    Nun ist es schon ein ganzes Jahr her, seit mein Buch beschlagnahmt wurde. Ein ganzes Jahr lang schon denke ich unablässig über sein tragisches Schicksal nach und suche nach einer Erklärung für das Vorgefallene. Vielleicht besteht sie darin, dass mein Buch subjektiv ist?
    Doch alle Werke der Literatur sind ja vom Persönlichen, vom Subjektiven geprägt, wenn sie nicht gerade von Stümpern verfasst wurden. Der Text eines Schriftstellers ist nie die unmittelbare Illustration der Standpunkte politischer und revolutionärer Führer. Sie können darin vorkommen, er kann sie sich zu eigen machen oder in einem gewissen Widerspruch zu ihnen stehen, doch stets verleiht das Buch der Innenwelt des Autors Ausdruck, gibt seine Gefühle und ihm vertraute Denkformen wieder und kann nicht anders als subjektiv sein. So war es immer. Die Literatur ist kein Echo, sie spricht auf ihre Art über das Leben und das Lebensdrama.
    Turgenjew hat vielfach die Liebe der

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