Lebensbilder I (German Edition)
ihren Salons herumirren lassen?«
»Sie werden doch den Alten nicht für ein Gespenst ansehen?«
»Schweigen Sie!« gebot sie mit jenem liebenswürdigen Trotz einer Schönen, die recht behalten will. – Es entstand eine lange Pause. »Ein schönes Boudoir!« begann sie endlich wieder, »blaue Seide nimmt sich doch immer am besten für ein kleines Zimmer aus. Es ist kalt hier!« Sie hüllte sich in ihren Schal und erhob sich, um ein Portrat zu betrachten. – »Was soll dies vorstellen?« fragte sie.
»Einen Adonis.«
»Das Bild hat den Fehler, daß es für einen Mann zu schön ist.«
»Es ist ein Porträt.«
»Ein Porträt? Solch ein Jüngling lebt, und Sie sind nicht eifersüchtig auf ihn?«
»Ich bin keine Dame, die Profession davon macht, schön zu sein.«
»Aber ich bin eine solche! haha! diese Sottise verrät Ihre Eifersucht!«
»Sie, Madame, Sie? Es gibt allerdings solche Geschöpfe, die alles getan zu haben glauben, wenn sie schön sind; und da unsere genußsüchtige Zeit sie anerkennt, für sie seufzt aus Langeweile, darf ich mich kaum auf des unsterblichen Raffael Meinung berufen, der sich so oft beklagte, keine schönen weiblichen Formen zu finden. Aber Sie, Madame, eine hochgestimmte, erhabene weibliche Seele, begeistert und schwärmend für alles Große, Schöne und Gute, die Sie den Mann und Manneswert zu schätzen wissen und nur Cäsare und Catone in Ihrer Umgebung wünschen, wie könnte ich Sie mit solchen Geschöpfen verwechseln?«
»Mein Gott, kennen Sie auch diese Seite an mir? Mich dünkt, ich habe niemals Gelegenheit gefunden, sie Ihnen zu offenbaren.«
Leichte Weiberschritte und das Rauschen eines seidenen Kleides ließen sich vernehmen. Die artige Marianina erschien und führte langsam und mit zärtlicher Sorgfalt den eleganten, gebrechlichen Spuk herein, um dessentwillen wir den Saal verlassen. Sie gewahrten uns nicht; mit Mühe gelangten sie an eine verborgene Tapetentür, Marianina pochte leise an, sie ward geöffnet, und ein großer, hagerer Mann erschien, den kleinen Alten in Empfang zu nehmen. Bevor jedoch Marianina ihn seinem stummen Wächter anvertraute, küßte sie ehrfurchtsvoll seinen bebenden Mund und rief mit klangreicher Stimme: »Addio, addio!« Der Greis stieß wieder einen gläsernen Schrei aus, fing wieder an zu husten, und ein geheimes Räderwerk in ihm schien in Bewegung gesetzt; er erhob die zitternden Arme, suchte mit einer Hand die andere zu haschen, zog einen kostbaren Ring von seinem Knochenfinger und ließ ihn in Marianinas Busen gleiten, die ihn lachend hervorzog und über ihren Handschuh auf den Finger steckte. Hierauf hüpfte sie mit aller ihrem Alter eigenen Tanzlust in den Saal zurück, wo das Präludium zu einem Kontretanz begonnen hatte. Der Greis verschwand in der Tapetentür mit seinem Wärter, und noch lange hörte man sein helles, feines Husten.
»Was ist das?« fragte meine Schöne. »Wo bin ich, träume ich? Wäre es Marianinas Gatte?«
»Nein!« sagte ich.
»Nun denn, was bedeutet dies alles, heraus damit, ich will es wissen!«
»Morgen sollen Sie es erfahren.«
»Aber ich will es gleich erfahren!«
»Sie wissen, wie ich mich bestrebe, alles zu tun, was Sie erfreuen kann, Ihren Launen aber gehorche ich nicht!«
»Wie begierig ich auch bin, das Geheimnis zu vernehmen, wenn Sie jetzt Lust haben sollten, es mir zu erzählen, werde ich keine haben, Sie anzuhören. Gute Nacht!«
Sie eilte in den Tanzsaal zurück, walzte bald darauf mit einem jungen, bildschönen Adjutanten, nahm seine Huldigungen gnädig auf, alles, um mich eifersüchtig zu machen. Sie vermochte indes nur, mich zu verstimmen.
»Sehe ich Sie morgen?« fragte sie, flüchtig an mir vorbeistreifend. Das Fest war beendet, man schickte sich zur Heimkehr an.
»Ich könnte böse sein, allein ich will mich Ihrer Neugier erbarmen.«
»Haha! Sie rechnen sich diesen Dienst wohl sehr hoch an?«
»Vielleicht, Madame,« entgegnete ich ernst und aufgebracht über diese Art, mit mir zu spielen, »ist Neugier Ihre höchste Sehnsucht. Ich mag mit keiner Sehnsucht spielen, das soll Ihre Sache bleiben.«
»Gute Nacht!« sprach sie gähnend, »Sie sind sehr langweilig.«
Am folgenden Abend saßen wir, sie auf der Ottomane, ich zu ihren Füßen auf einem Schemel, vor dem helllodernden Kaminfeuer. Eine Astrallampe beleuchtete traulich das elegante Zimmer. Auf der Straße war es still, ihr Auge hing an meinen Lippen, und ich begann: »Madame! ich wage viel bei meiner Erzählung. Sie werden
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