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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ich, und die Damen Reifröcke und hohe Frisuren. Der Zug kam naher, eine hohe, königliche Gestalt war Karl VII. Neben ihm eine Dame von reizendem Wuchs, Agnes Sorel. Ihr Hals und Busen war mit Perlschnüren, goldnen Ketten und Bändern von Edelsteinen bedeckt. Mit einem Male war mir's, als sähe ich den König selbst, mit seiner schönen Geliebten, der Gräfin Dubarry. Doch war ich keines sicheren Gedankens fähig, denn tausend abenteuerliche Gestalten schwebten schon wieder an meinem blöden Auge vorüber. Ritter, Türken, Zigeuner, alle Völker, alle Trachten, die durch Auswüchse von Locken, Bändern, Kostbarkeiten, Schleifen und Blumen um so phantastischer sich ausnahmen. Nur die italienischen Masken, Pantalon, Kolombine, Skapin und Skapine, Arlequins und Polichinells hatten ihr gehöriges Kostüm.
    Eine gellende Musik tobte durch die Säle. Eine Polonaise ward aufgeführt vom Hofe Karls VII., und ich folgte willenlos meiner Führerin, die sich dem Zuge anschloß.
    Wie wir so herumschritten, bückte sich meine Führerin plötzlich. Sie hatte ihre Maske verloren.
    Ein Pole hob sie ihr auf und reichte sie ihr mit den Worten: »Herzogin ..., Ihre siegreiche Schönheit sträubt sich mit Unwillen gegen die verhüllende Maske.«
    Ängstlich blickte meine Begleiterin nach mir, doch mein blöder Blick mochte sie wohl beruhigen: als wir an einen Haufen maskierter Zuschauer kamen, traten wir sogleich aus.
    Meine Gebieterin zog mich durch mehrere Säle und durch den Garten. An einem Hinterpförtchen hielt der Wagen, der Kutscher fuhr auf das gegebene Zeichen vor, und wir stiegen ein. Ich folgte ohne Gedanken, und das Rütteln des Wagens wiegte mich bald wieder in einen festen Schlaf zurück.
    Ich erwachte mit ziemlichem Kopfschmerz.
    »Ei!« – fragte meine Geliebte, »schickt es sich in Gegenwart einer Dame, mit der man nicht verheiratet ist, so fest zu schlafen?« – Ich blickte im Zimmer umher, die Laube, das Tageslicht, alles hatte ein falbes Ansehen, meine Geliebte selbst war bleich und überwacht und im Negligé minder reizend als gestern, ich selbst aber empfand sogar körperlich die trostlosesten Nachwehen meines süßen Rausches. Ich erzählte den Traum. Mit einem erkünstelten Lächeln hörte meine Geliebte mir zu, doch wie ich von der Maske sprach, die sie verloren, sah ich ganz deutlich, wie sie die Farbe änderte. Ich wollte den Namen nennen, den ich gehört, doch sann und sann ich, er war aus meinem Gedächtnisse verwischt, und doch wußte ich genau, einen bestimmten Namen gehört zu haben. Aber sie unterbrach mein Nachsinnen mit einer zärtlichen Umarmung.
    »Sie wissen,« sprach sie, »ich bin Ihre zärtliche Witwe Forget und Sie mein innigstgeliebter François.«
    Nichtsdestoweniger blieb ich still und zerstreut, denn mir war schlimm zumute.
    Da ich zu Hause anlangte, fühlte ich mich sehr unpaß und mußte mich zu Bette legen. Zwei unerträglich lange Tage gingen hin, das körperliche und geistige Unbehagen stieg auf einen solchen Punkt, daß ich, wie ich glaube, mir das Leben genommen hätte, wenn ich nicht Hoffnung gehabt, am dritten Tage meine Geliebte wiederzusehen.
    Der dritte Tag brach an, ich fühlte mich hergestellt, um mein Lager zu verlassen. Ich sah mich im Spiegel, mein Blick war matt und meine Wange bleich, mein krankes Aussehen aber flößte mir eine süße Wehmut ein.
    So, dachte ich, soll meine Geliebte mich zu ihren Füßen sehen, so wollte ich ihr verkünden, daß die Sehnsucht zu ihr mich verzehre, und daß ich kein anderes Glück kenne als diesen Tod. und ich malte mir die Wirkung dieser Worte und meiner Gestalt auf sie in einer solchen Lage recht rührend aus.
    Ich erreichte ihre Wohnung – und noch erschüttert es mich, wenn ich dieses Augenblicks gedenke.
    Madame Forget, sagte die Wirtin des Hauses, habe plötzlich heimreisen müssen und mir in einem Briefe ihr Lebewohl zurückgelassen. Ich erbrach ihn; er lautete:
    Teuerster François!
    Wenn Sie diese Zeilen lesen, so bin ich schon meilenweit von Ihnen entfernt. Ich betrog Sie, indem ich sagte, ich sei unvermählt. Mein Mann lebt und darf nie von unserer Liebe erfahren. – Alles Schöne in der Welt ist Traum, daraus wir erwachen müssen: danken wir dem gütigen Geschick, das uns zwar grausame Trennung auflegt, aber doch in der Blüte der Jugend und Reize uns scheidet, ehe die Zeit ein Haar nach dem andern uns ausriß, einen Zahn nach dem andern uns ausbrach und mit der Liebe selbst dem Gedächtnisse das reizvolle Bild des

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