Lebensbilder II (German Edition)
seine Baronschaft mehreren Sendungen, zu welchen der Kaiser ihn gebraucht. Dieser Titel war der geringste für einen Geschäftsträger bei einer auswärtigen Macht, im übrigen war Bartholomeo einfach, strenge und unbestechlich wie ein Korse geblieben, wie auch ein abgesagter Feind aller Höflinge. Er bewohnte das Hotel der Grafen Givry, welches er um eine mäßige Summe, die Madame, die Mutter des Kaisers, für seine Güter in Korsika ihm eingehändigt, erstanden. Er haßte die Pracht wie sein Kaiser; die wenigen Möbel, die er vorfand, genügten ihm. Die großen, hohen Zimmer, die breiten Spiegel, die düstern Wände mit Schnitzwerk paßten ganz zu seiner Lebenswelse.
Zweimal ging er im Zimmer auf und nieder, dann blieb er stehen und schellte. Ein Diener trat ein.
»Geh' dem Fräulein entgegen, Jean!« gebot er dem Eintretenden.
Der Diener wollte sich entfernen.
»Bleib, Jean!« rief der ungeduldige Greis, »du gehst mir nicht schnell genug.« – Rasch glättete er hierauf mit seinen breiten Händen die Schöße seines Überrocks, drückte den Hut in die Stirn und nahm sein Rohr.
»Du hast's nicht weit.« rief die Baronesse erfreut. »Ich höre die Haustüre gehen.« Der Greis lauschte einige Sekünden, bald ließ sich das Rauschen des seidenen Gewandes in rascher Bewegung auf der Treppe vernehmen. Hastig eilte Bartholomeo aus der Tür seiner Tochter entgegen.
Mit Ginevra auf dem Arme kam er wieder. – »Ginevra,« rief er, »Ginevrina, Ginevrola, Ginevretta, Ginevra-Bella – da ist sie ja. – Ich habe sie dir hergehext, Mutter, weil du besorgt warst.«
»Sie tun mir aber weh! lieber Vater,« versetzte die Tochter sanft, und der Greis ließ sie zur Erde nieder.
Das bleiche Gesicht der Mutter schien wirklich von Freude leicht gerötet, und der Baron rieb heftig sich die Hände. Ein Zeichen der Freude, das er sich bei Hofe angewöhnt, wenn Bonaparte seine Minister oder Generale ihrer Fehler oder Ungeschicklichkeil halber ausschalt.
»Zu Tische, zu Tische!« rief er jetzt. »Fräulein von Piombo, kann ich die Ehre haben?« Höflich bot er ihr den Arm. »Aber weißt du auch.« fuhr er fort, »daß, wie deine Mutter sehr richtig bemerkt hat, seit acht bis zehn Tagen du länger als gewöhnlich im Atelier bleibst? Das ist eine schlechte Kunst, die dem Vater das Töchterchen stiehlt.«
»Lieber Vater!« flehte Ginevra.
»Ei! so ernsthaft und den Tränen nah, habe ich dir weh getan?«
»Ich muß jetzt sehr fleißig sein,« versetzte Ginevra errötend.
»Also eine Überraschung! eine Überraschung hat's zu bedeuten. Nun so überrasche mich nur recht bald mit einem großen Bilde. Es soll hier am Fenster hängen, sonst ist es doch zu dunkel im Zimmer. Liebes Kind, du hast viel zu tun, ehe du diese breiten Wände mit deinen Bildern füllst.«
»Was fehlt dir?« fragte sie die Mutter, »du wechselst stets die Farbe.«
Sie versetzte plötzlich mit Entschlossenheit: »Vater! Mutter! Ginevra hat gelogen, zum ersten Male in ihrem Leben. Mit einem Worte: ich liebe!« Errötend hielt sie inne. Die Eltern blickten mit Befremden auf ihre Tochter.
»Das ist ja wohl ein Prinz, der Ginevras Zuneigung erwarb,« sprach streng und ingrimmig der Vater.
»Ihre Tochter hat Rang und Reichtümer zu verachten, von Ihnen gelernt,« antwortete Ginevra. »Es ist ein unglücklicher Freund Labedoyères, ein treuer Anhänger und Soldat des Kaisers, den man seiner edlen Ergebenheit halber erschossen hätte, wenn ich nicht persönlich beim Herzog von Felters um seine Begnadigung eingekommen wäre. Ja, lieber Vater, ich ging zu weit, ach, viel zu weit, ich kannte mein Herz nicht, sonst wär' es dennoch nicht geschehen. Ich habe mich verleiten lassen, ein Verständnis hinter Ihrem Rücken einzugehen, habe mich meinen Mitschülerinnen bei Servin verraten, die mich fliehen und meinethalben das Atelier nicht mehr besuchen. Aber ich kannte mich selbst nicht. Jetzt kenne ich mich, und wie ich mich kenne, glaube ich in dem, was ich tat, mein Glück zu finden. Ein Glück, das wert ist, von Ihnen erbeten zu werden, und so zu meiner Rechtfertigung mich anklagend, bitte ich um Ihren Segen.«
Es lag so viel Offenherziges und Rührendes in Ginevras Worten, daß ihre Mutter sich nicht länger hielt und weinend ihrer Tochter um den Hals fiel.
»Sie verstehen mich, teure Mutter«, rief Ginevra. »Sie haben den Vater so ebenfalls geliebt. Erinnern Sie ihn daran, denn seine Zuneigung hat ihn ja auch nicht betrogen. Lieber Vater«, fuhr sie, einmal im
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