Lebensbilder II (German Edition)
erschrocken.
»Unglücklicher! Du fragst?« rief Ginevra plötzlich außer sich. – »Und ich soll es sagen? Nun so höre: Du hast den Mörder deiner ganzen Familie soeben gesehen, der all die deinigen getötet, der dich ans Bett festgebunden, um dich in den Flammen deines eignen Hauses zu Asche zu brennen: das ist mein Vater, Bartholomeo Piombo, und dein Vater, Luigi Porta, hat meine Brüder getötet, hat mein Haus niedergebrannt, oh! unsere Geschlechter sind sich keine Bluttat schuldig geblieben. Und wir wollen uns vermählen? Glück zur Hochzeit!«
»Ginevra! kann ein holdes Weib so fürchterlich sein? Die Erinnerungen meiner Kindheit tauchen schrecklich empor. Ginevra, ich hätte das meinem ärgsten Feinde nicht geglaubt.«
»Luigi Porta, so stehen unsere Verhältnisse. Dem Unglücklichen schenkte ich mein Mitleid, dem Verzweifelnden, weil er meine Gesinnungen teilte, meine Liebe; dem, um den ich meine Ehre aufs Spiel gab, die Hand. Nun, wie spricht jetzt Luigi Porta zu Ginevra Piombo, weil Blutrache unter ihnen waltet?«
»So war es gemeint? – Ha! ich könnte rasend werden!« rief der Jüngling voller Schmerz. – »O Ginevra, die Väter bekämpfen sich wie Männer, die Sitte, man könnte sagen, die Ehre verlangt es so. Allein du! – Den Verzweifelnden, der sein Leben wegwerfenswert achtete, den kettetest du ans Dasein, fülltest ihn mit Mut, Hoffnung, Freude, verhießest ihm deine Liebe, deine Hand, um ihn zehntausendmal schlimmer zu morden, daß er der Liebe, dem Leben, dir und sich selbst fluchen möchte? – O Ginevra, würdige Piombo, ja, deine Blutrache, das ist eine Blutrache. Frohlocke nur, schämst du dich nicht, denn eine Schmach bist du deinem Geschlechte! – Leb wohl in den Flüchen, die deine Tat dir erworben.«
»Du verkennst mich, Luigi,« versetzte jene sanfter. »Die Absicht, die du denkst, hatte ich nie. Ich will dich ruhiger fragen: Kannst du aus Liebe zu mir die Blutrache vergessen, die in unsern Häusern waltet?«
»Ob ich sie vergessen kann!« rief Luigi plötzlich hocherfreut. »Zur Hölle damit, mit allem, was mich von Ginevra trennt. Den Fuß setze ich auf die blutigen Leichen meiner nächsten Anverwandten, und deine Hand fassend, frohlocke ich: ›Ich bin keine Waise, denn Ginevra liebt mich!‹«
»Du sprichst kühn, allein so wollte ich's, ich liebe dich darum. Mein Freund, du hast mein Herz erleichtert und allen Zwiespalt geschlichtet, der bisher es zerriß. Ja, ich liebe dich, obgleich du ein Porta bist, Blut erbt sich nicht, unsere Liebe muß den wütenden Haß unserer Vorfahren aussöhnen, und sprichst du kühn, ich kann es auch und sage dir's: Sollte mein Vater und meine Mutter mir fluchen, mich verstoßen, mich als Feindin auf den Tod verfolgen, ich liebe dich! Luigi, nie hätte ich so leichtsinnig meinen Ruf preisgegeben, nie hätte ich ja dies alles gewagt und herbeigeführt, wenn ich dich nicht viel, viel mehr liebte, als ich selbst es wußte. – Jetzt höre, mein Teurer, was zu deiner Sicherheit not ist. – Wie du dies Haus verlässest, hast du vor meines Vaters Dolch zu fürchten, nur hier in seinem Hause bist du sicher, wie du es verlässest, steht dein Leben in Gefahr. Er hat auch zwei Korsen in seinem Dienste, entgehst du dem einen, fällst du in die Hände des anderen. – Allein ich werde schon zu erforschen wissen, wo Gefahr dir droht, und dich benachrichtigen. Für jetzt begleite ich dich und werde dich aufmerksam machen, wo ein verdächtiges Gesicht dir nahe will. – Mein Vater ist, was das anbelangt, kurz entschlossen.«
»Oh, süße Gefahr und süßerer Schutz!« rief Luigi.
»Verlaß dich auf Ginevra,« versetzte sie.
Luigi durfte sie umarmen und wagte zum ersten Male einen Kuß. »Ja,« rief er entzückt, »der Erbhaß ist erstorben, wie lieben sich nun die Portas und die Piombos.«
Ginevra war vom Zufluchtsort ihres Geliebten heimgekehrt und folgte sanft und ergeben, aber mit dem stillen Bewußtsein ihres kräftigen Entschlusses, von dem ihr ganzes Glück, wie sie glaubte, abhing, ihren Eltern zu Tische. Ihre alte Mutter hatte rotgeweinte Augen, es rührte sie, und sie durfte ihre Empfindung nicht verraten. Bartholomeo schien Empfindungen zu hegen, die keine andere Äußerung fanden als Todesblässe, Grabesschweigen und Regungslosigkeit. Das Mahl wurde aufgetragen. Niemand vermochte einen Bissen zu genießen, niemand wagte ein Wort, nur stumme Blicke wurden gewechselt, als täte es jedem einzelnen not, sich zu überzeugen, ob er sich auch
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