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Lebenselixier

Lebenselixier

Titel: Lebenselixier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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etwas vor: Wäre er nicht in diesem letzten Augenblick
mit aller Kraft auf die Bremse gestiegen, er hätte keine Chance gehabt!
    Vincente hielt
das Brecheisen nahe an sein Bein, während er das Labor verließ, aber es achtete
ohnehin niemand auf ihn. Er stieg in seinen Wagen und fuhr nach Klarenberg, die
ganze Strecke am Stück, wie in Trance - oder auf Autopilot.
Noch immer zweifelte er, was es mit den drei jungen Männern auf sich hatte, die
bereits gestorben waren. Der Professor und Charles nannten sie Kreaturen.
Hannah sprach von Dämonen. Der Junge, der gegenwärtig auf Walsers Folterbank
lag, war zweifellos ein Mensch!
Vincentes Gewissen fühlte sich seit Wochen an wie ein schwarzes Loch, das ihn
gradewegs in die Hölle saugen würde. Dennoch hatte er nichts unternommen. Aus
Angst, bereits in diesem Leben zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Doch dann, von einem Atemzug zum andern, war die Grenze des Erträglichen
überschritten.
Antonia Lemberg war noch ein Teenager gewesen. Sie hatte nicht gezögert, hatte
keinen Gedanken daran verschwendet, was es sie kosten würde. Er erlebte, als er
Monate später den Unterricht wieder aufnahm, noch immer, was es sie kostete.
Die Hänseleien und die abergläubische Ablehnung, die dem Mädchen entgegen
schlugen. Die übliche Strafe, fürs anders sein.
Und er schwieg, obwohl er ihr sein Leben verdankte.
     
    Im Licht einer
Campingleuchte, die er in seiner Garage gefunden hatte, klemmte Vincente das
Brecheisen zwischen Türblatt und Rahmen. Er stemmte einen Fuß gegen die
Felswand und drückte mit seinem ganzen Gewicht gegen das Eisen. Der jämmerliche
Ton, mit dem sich Metall verbog, belohnte ihn. Die Tür war offen.
    Er hatte sich den
ganzen Weg nach Klarenberg mit dem Gedanken vertraut gemacht: Die wahrscheinlichste
Erklärung für all das Unheimliche, was er im letzten Jahr erlebt hatte, war,
dass er den Verstand verlor. Womöglich war er schon immer labil gewesen.
Der Gedanke hatte etwas Tröstliches. Wenn er verrückt war, würde man ihn
vermutlich bald aufgreifen, wie er in den Katakomben umherirrte und nach
nächtlichen Spukgestalten suchte. Man würde ihn in eine Klinik einweisen, ihm
vielleicht sogar Medikamente geben, die es ihm ermöglichten, die Welt wieder so
zu sehen, wie es der allgemein anerkannten Realität entsprach. Ohne Vampire und
durchgeknallte Wissenschaftler.
    Die andere
Möglichkeit erschien ihm wesentlich beunruhigender.
Er war überzeugt, wenn dort unten, tief in den Eingeweiden seiner Stadt,
tatsächlich Vampire hausten, würden sie verhindern wollen, dass Antonia Lemberg
etwas zustieß. Doch es war unwahrscheinlich, dass sie ihm wohlgesonnen
gegenüberstanden. Und sollten ihn die Vampire nicht umbringen, würden das
Walsers zahme Höllenhunde übernehmen.
    Vincente ließ das
Brecheisen fallen und nahm die Leuchte auf. Vorsichtig einen Fuß vor den
anderen setzend betrat er den Tunnel.
     
    „Die
Wahrscheinlichkeit besteht. Aber wir sollten uns nichts vormachen.“
Arne fixierte die Hälfte seines Bildschirms, die Johanns Schreibtisch und die
Wand dahinter zeigte. Der Jäger selbst befand sich nicht im Aufnahmebereich der
Webcam, sondern wanderte aufgebracht in seinem Büro umher.
    Arne hatte dafür
gesorgt, dass Danny den Rest seiner Ferien bei einem portugiesischen Freund
verbrachte, bei dem er hoffentlich sicher war. Am liebsten hätte er Samantha
ebenfalls in dieses idyllische, abgelegene Fischernest geschickt.
    Johann trat
wieder ins Bild, indem er hinter seinem Schreibtisch stehen blieb. Er beugte
sich vor, stütze sich schwer auf der Tischplatte ab.
„Die Jungen sind tot“, presste er zwischen den Zähnen hervor. „Nichts wird sie
zurückbringen. Die Gefährtin meines Sohnes lebt vielleicht noch. Ich bin nicht
bereit, auf die vage Vermutung hin, die Taten könnten in Zusammenhang stehen,
die Suche nach ihr hinten anzustellen.“
Jeremias, der den anderen Teil von Arnes Bildschirm einnahm, beugte sich
ebenfalls vor. „Ich verstehe deine Haltung, Johann. Aber Tatsache ist, dass wir
nicht wissen, wo wir suchen sollen.“
    Das Pfeifgeräusch
war laut und eindringlich. Arne erstarrte, verfolgte gespannt, wie Johann seine
Maus ergriff, um auf seinem Bildschirm Programme zu öffnen und Funktionen
auszuführen.
„Wo ist es diesmal?“, rief Jeremias in sein Mikrofon. Er ahnte, Johann würde
erneut aufspringen und davonrennen. Und sie würden erst Stunden später
erfahren, was vor sich ging.
„Diesmal sind es wirklich die Katakomben.“

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