Lebenselixier
zu
bohren. „Ich habe nach Vampiren gesucht.“
Jägers Hand sank von seiner Stirn. Stattdessen spürte der Priester, wie Hitze
sich in seinem Gesicht und seinem Magen ausbreitete. Würde Jäger ihn auslachen?
Unterschwellig fürchtete er, dieser kraftstrotzende Mann könnte sich von ihm
veralbert fühlen und aggressiv reagieren. Aber nichts dergleichen geschah. Wenn
Jäger sein Ansinnen lächerlich fand, ließ er sich nichts anmerken. Stattdessen
schien er intensiv nachzudenken.
Vincente bewegte sich in Richtung Ausgang. Wahrscheinlich überlegte Jäger
gerade, ob er ein ernsthaftes Wort mit dem Gemeinderat reden sollte. Allein
aufgrund seines Vermögens, das dem Vernehmen nach beachtlich sein sollte,
gehörte er zu den Honoratioren der Stadt. Auch wenn er sich seines Wissens nie
um Einfluss bemüht hatte.
„Bitte hier lang,
Vater!“
Aus Jägers Stimme sprach ruhige Autorität. Ohne Eile öffnete er erneut die
Stahltür, die Pforte in die Klarenberger Unterwelt, die sie eben erst verlassen
hatten.
Nein, vielen Dank. Ich glaube, ich gehe jetzt besser nach Hause. Vincentes Hirn formulierte die Worte. Er war sicher, sie wurden an sein Sprachzentrum
weitergeleitetet denn er konnte nicht begreifen, dass sein Mund sie nicht
aussprach. Stattdessen setzten sich seine Füße in Bewegung, folgten Jäger in
die Dunkelheit. Einen Augenblick verschlug es ihm den Atem, nachdem die Tür
sich hinter ihnen geschlossen hatte und er in der feuchten Finsternis
verharrte. Dann leuchtete wieder die Lampe auf.
„Folgen Sie mir, Vater!“
Vincentes Herz klopfte laut in seiner Brust. Sein Puls raste und trotz der
Kühle unter der Erde bildeten sich Schweißperlen entlang seines Haaransatzes.
Seine Beine gehorchten Johann Jäger wie treue Hunde und endlich begriff der
Priester.
Er hatte tatsächlich gefunden, wonach er gesucht hatte.
Kein Soldat, kein Geheimdienst. Dieser Mann war ein Vampir!
Eisige Furcht griff nach Vincentes Herz, während er wie ein Roboter hinter dem
Hünen her stapfte. Er geriet außer Atem, denn Johann Jäger, oder wie auch immer
sein Name sein mochte, nahm jetzt keine Rücksicht mehr auf die Kondition des
Priesters. Dabei führte der Gang immer steiler nach oben.
Dieser Mann, dieser Vampir, würde ihn umbringen, das stand Vincente klar vor
Augen. Und sie würde ebenfalls sterben! Obwohl er, entgegen aller Logik, die
Vampire gefunden hatte, würde das Mädchen, das sein Leben gerettet hatte
sterben. Und er trug einen nicht geringen Anteil der Schuld.
Vater im
Himmel, beschütze uns alle. Ich bitte dich, lass nicht zu, dass Antonia Lemberg
ermordet wird ... ganz automatisch
sprachVincente in Gedanken sein Gebet. Das Gesicht der jungen Frau, wie er es
auf den Fotos gesehen hatte, legte sich über seine Erinnerung aus
Kindheitstagen - als ein Bulldozer oder eine Steinlawine ihn urplötzlich gegen
die raue Felswand des Tunnels presste.
Verdattert blinzelte Vincente. Kein Steinquader, die ihn unter sich begraben
hatten. Er hob den Blick und erkannte Johann Jäger. Die Pranke des Mannes
umfasste drohend seine Kehle.
„Tony! Das ist Tony! Woher kennen Sie die Gefährtin meines Sohnes?“
37
Der Flur, den
Thomas entlang eilte, war mit muffigem Teppichboden ausgelegt. Hinter jede Tür
warf er einen forschenden Blick. Die meisten Räume standen leer. Eine Reihe
schmalerer Türen führte in eine Küche, Toiletten, Duschräume, die offenbar
regelmäßig genutzt wurden.
„Wohnt ihr hier?“
Hannah folgte seinem wehenden Kittel in vorsichtigem Abstand. „Im Augenblick schon.“
„Dann gibt es doch Klamotten hier!“
Er klang so ungeduldig, wie er sich fühlte. Warum konnte sie ihm auf eine
einfache Frage nicht vernünftig antworten?
Thomas stieß eine
weitere Tür auf und überflog den unordentlichen Raum dahinter. Ein Feldbett mit
zerwühlten Decken, ein geöffneter Koffer auf einem Büroschreibtisch und mehrere
Stühle. Alles unter zerknautschten Textilien begraben. In der Luft hing ein
penetrant säuerlicher Geruch. Obwohl es an der Stirnseite eine Reihe Fenster
gab, bezweifelte er, dass seit dem Einzug des Bewohners gelüftet worden war.
„Dieser Cross sieht nicht nur aus wie ein Schwein, was?“
Eine Antwort wartete er nicht ab, sondern zog die Tür wieder zu. In den Sachen
dieses Kerls wäre er ohnehin ertrunken, schon vor der unfreiwilligen Hungerkur
der letzten Tage.
„Wo pennt Walser?“
Hannahs Augen weiteten sich, während Thomas bereits am Griff der nächsten Tür
rüttelte. Sie war
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