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Lebenselixier

Lebenselixier

Titel: Lebenselixier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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verschlossen.
Hannah eilte an seine Seite, als wollte sie ihn hindern. Doch im letzten Moment
zuckte sie zurück, rang stattdessen die Hände. „Er schließt sein Zimmer immer
ab.“
    Thomas beachtete
sie kaum. Als das Rütteln nichts brachte, stemmte er sich gegen das dünne
Türblatt. Es knirschte, gab aber nicht nach.
„Wär keine üble Idee, wenn du mir helfen würdest.“
Er biss die Zähne zusammen, holte Schwung und rammte seine Schulter gegen das
Sperrholzfurnier. Keuchend stieß er die Luft aus den Lungen, als das Schloss
nachgab und er in den dahinter liegenden Raum taumelte. Schnell blickte er sich
um und rieb seine schmerzende Schulter. So wüst es nebenan ausgesehen hatte, so
penibel ordentlich war es hier.
Mit militärischer Präzision gebautes Feldbett, jeder Bogen Papier und jeder
Bleistift auf dem Schreibtisch exakt im rechten Winkel ausgerichtet.
Aber dafür interessierte Thomas sich im Augenblick nicht. Vor den Fenstern, die
auf einen Parkplatz und eine verlassene Industriestraße hinausblickten, stand
ein glänzender Alukoffer. Thomas wuchtete das Gepäckstück auf das Feldbett.
Hannah, die ihn von der Tür aus beobachtete, begann beinahe zu
hyperventilieren, als er die Schlösser aufschnappen ließ.
„Bitte, tu das nicht!“
„Ich brauch was zum Anziehen. Wenn ich barfuß und in diesem Kittel durch die
Straßen laufe, komme ich nicht weit.“ Er machte sich nichts vor, er sah wie ein
entlaufener Irrer aus.
Thomas zog eine feinsäuberlich zusammengefaltete Stoffhose und ein hellgraues
Hemd aus Walsers Gepäck. Dann riss er sich den Kittel vom Leib. Hannah wandte
hastig den Blick ab.
Die Hose war ein gutes Stück zu lang. Thomas krempelte sie kurzerhand um,
ebenso die Hemdsärmel. Unter dem Feldbett entdeckte er ein paar glänzende,
braune Lederschuhe. Er drehte sie um, suchte nach der Größe.
Grade hatte er sich wieder dem Koffer zugewandt. Wie viele Socken brauchte er
wohl, um eine Schuhgröße auszugleichen?
Draußen schlugen mehrere Autotüren. Eine heiße Welle fuhr in Thomas Eingeweide.
Das waren sie!
Er wusste es einfach!
    Hastig stopfte er
die zwei Paar Socken, die er bisher gefunden hatte, in die Hosentaschen und
schob Hannah  auf den Flur hinaus.
„Gibt es hier eine Hintertreppe?“
Hannah starrte ihn aus großen, wirren Augen an. Am Ende seiner Geduld packte
Thomas die Frau an den Schultern und schüttelte sie, bis ihre Zähne aufeinander
schlugen.
„Verdammt noch mal, wach auf! Was denkst du, wird er machen, wenn er merkt,
dass du mich befreit hast?“
     
    Draußen stieg
Walser aus dem ersten der drei Lieferwagen, die in einer ordentlichen Reihe vor
dem Eingang parkten. Charles kletterte vom Beifahrersitz und drehte sich um. Er
öffnete den Mund, um dem kahl rasierten Burschen, der den zweiten Wagen
gefahren hatte, etwas zuzurufen.
„Still!“
Walsers knapper Befehl ließ alle erstarren.
    Der Professor
spähte die gleichförmige, heruntergekommene Bürofassade hinauf. Dort oben, im
vierten Stock, lagen die Räumlichkeiten, die er angemietet hatte. Hinter den
drei stumpfen Fensterscheiben, unmittelbar neben der Gebäudeecke, befand sich
das Zimmer, das er selbst bewohnte. Für einen Moment hatte es ausgesehen, als
würde Licht aus dem Flur hineinfallen.
Nie und nimmer hätte er dieses Weib mit dem Gefangenen allein lassen dürfen!
Und wo war dieser elende Priester abgeblieben? Walser verfluchte seinen
Leichtsinn. Er hatte nicht damit gerechnet, so lange fortzubleiben.
    Dank eines
erbsengroßen Senders unter der Stoßstange hatten sie den Volvo des Holländers
bis Klarenberg verfolgt. Tagelang beobachteten sie das Gebäude, in dem der
Vampir offenbar hauste, ohne dass sich eine Gelegenheit ergab.
Die Frau verließ das Haus nur in Begleitung des Ungeheuers und Walser wusste genug,
um von einem erwachsenen Vampir die Finger zu lassen. Dieser Finn hatte ihn
Vorsicht gelehrt.
    Walser wollte die
Aktion bereits abblasen. Es war ausschließlich seiner Aufmerksamkeit und
Kombinationsgabe zu verdanken, dass sie doch noch zum Zuge kamen.
    Sie hatten den
Vampir nicht gehen sehen, aber Walser begriff sofort, dass er seine Blutquelle
allein gelassen haben musste, als plötzlich, am helllichten Tag, die Jalousien
der Penthousewohnung offen standen!
Offenbar besaß das Opfer des Blutsaugers noch genug Menschliches, um sich nach
Sonnenlicht zu sehnen, wenn sie auch die Gelegenheit nicht zur Flucht nutzte.
    Bei dieser Frau
kam offensichtlich jede Hilfe zu spät. Sie floh vor ihnen, statt sie als

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