Lebenselixier
wenig gequält in ihr Lachen ein.
„Das ist nicht wirklich mein Problem.“
Und würde es wohl
auch nie werden. Sollte sie jemals in die Verlegenheit geraten, mehr Geld zu
verdienen als ihr Gefährte, wäre das Lukas wahrscheinlich völlig gleichgültig.
Sie verstand die Jäger inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie Erfolg mit
einer anderen, altmodischeren Messlatte maßen.
„Manchmal
belastet mich die ganze Heimlichtuerei“, gestand Tony. „Dann denke ich, wenn
ich meinen Eltern erklären könnte, wer Lukas wirklich ist ... völlig
ausgeschlossen, ich weiß.“
Samantha lachte leise. „Nach meiner Erfahrung solltest du heilfroh sein, dass
deine Eltern ahnungslos sind.“
Sie lehnte sich in die Polster zurück und ließ den Rotwein im Glas kreisen.
„Meine Mutter wusste ganz genau, wen sie in Arne vor sich hatte. Schließlich
hatte sie sich persönlich an Jeremias gewandt, mit der Bitte, einen Trupp
seiner Jäger nach Saint Domingue zu schicken.“
Tony machte große Augen.
„Ich war siebzehn. Meine Mutter hatte beschlossen, mich zu ihrer Nachfolgerin
auszubilden. Ich war die jüngste von drei Töchtern und vier Söhnen. Die
Einzige, die meine Mutter für geeignet hielt, zur Mambo ausgebildet zu werden,
zu einer Priesterin des Voodoo. Meine Mutter war Hohepriesterin, eine Ehrfurcht
gebietende Frau. Die meiste Zeit hatte ich Angst vor ihr.“
„Wow! Ich wusste, dass du aus der Karibik stammst, aber ... du bist eine
Voodoo-Priesterin?“
Samantha kicherte. „Nein, bin ich nicht. Dazu kam es nie. Obwohl es keinen
vernünftigen Grund dafür gab. Aber nachdem ich Arne kennengelernt hatte, stand
für mich fest, dass ich seine Gefährtin war. Meine Mutter hat getobt vor Wut.
Sie sagte, sie könne mich nicht ausbilden, wenn ich mich mit einem Dämon der
Finsternis einließ. Sie hat sogar gedroht, mich zu verstoßen. Ich blieb
stur.“
Tony futterte die Schale mit den grünen Oliven leer, ohne es zu bemerken.
„Warum hat sie denn Arne überhaupt geholt?“
„Er befand sich im Gefolge von Joseba Casador. Das ist heute ein bedeutender
Jäger, der für den gesamten karibischen Raum zuständig ist. Jeremias schickte
ihn aus, um mit einer Bande abtrünniger Bluttrinker aufzuräumen, die sich in
der Stadt eingenistet hatte. Jede Nacht gab es Tote zu beklagen. Es war
furchtbar. Deshalb hat meine Mutter sich an die Jäger gewandt. Sie tat das
nicht gerne. Sie wusste, wenn Jeremias Leute auf Hispaniola erst einmal Fuß
gefasst hatten, würden sie nicht freiwillig wieder gehen. Aber schließlich
dachte sie, die Jäger seien das kleinere Übel. Bis ich mich in Arne verliebte.“
Ungeduldig beobachtete Tony, wie Samantha genüsslich eine gefüllte Peperoni
verspeiste.
„Oh Sam! Was ist dann passiert?“
„Als meine Mutter merkte, dass sie mich mit Drohungen nicht umstimmen konnte,
versuchte sie es bei Joseba. Er sollte Arne wegschicken, sonst würde sie ihm
ihre Erlaubnis entziehen, in Saint Domingue zu arbeiten. Joseba wollte keinen
Ärger mit der Hohepriesterin. Also befahl er Arne, mit dem nächsten Schiff
abzureisen. Das tat er auch. Aber nicht ohne mich mit an Bord zu schmuggeln.“
Samantha seufzte wehmütig. „Ich habe damals keinen Augenblick gezögert, meine
Heimat zu verlassen. Erst viele Jahre nach dem Tod meiner Mutter kehrte ich
noch einmal zurück. Da war die Insel schon in zwei Staaten geteilt und Santo
Domingo eine christliche Stadt mit einem Bischof. Es war nicht mehr dasselbe.“
„Hast du es bereut?“, fragte Tony zögerlich. „Ich meine, wegen deiner Mutter?“
Samantha schüttelte den Kopf.
„Ich habe es bereut, sobald wir in Lissabon das Schiff verließen. Ein Bote von
Jeremias wartete auf uns. Irgendwie hat meine Mutter es fertiggebracht, die
Botschaft von meiner Entführung schneller nach England zu schicken, als
unser Kahn segeln konnte. Arne wurde unter Androhung schrecklicher Strafen nach
London zitiert. Wir beide mussten in der Burg erscheinen. Ich hatte
entsetzliche Angst. Wir hatten auf dem Schiff das Ritual vollzogen, und ich
wusste, wenn man mich zwang, alleine zurückzufahren, stand meinem Geliebten ein
grausamer Tod bevor. Mir war klar, dass meiner Mutter getobt haben musste, als
ich einfach verschwand. Aber ich ahnte nicht, dass es für die Jäger so etwas
wie ein diplomatischer Zwischenfall war. Hast du Jeremias jemals richtig wütend
erlebt? - Nein“, beantwortete Samantha ihre Frage selbst. „Dafür hast du ihm
sicher keinen Grund gegeben. Ich war die Tobsuchtsanfälle
Weitere Kostenlose Bücher