Lebenselixier
Kopf. „Nein, hier stimmt was nicht. Das war
kein gewöhnlicher Mord.“ Er fand sein Handy und wählte mit bebenden Fingern die
Notrufnummer des Bunkers .
Das Hauptquartier
der niederländischen Jäger machte seinem Namen alle Ehre. Es befand sich
tatsächlich in einem alten, vergessenen Bunker, tief unter der Erde. Die Wände
bestanden aus grobem Beton und die Ausstattung zeugte von den relativ
bescheidenen Finanzmitteln, die Arnes kleiner Truppe zur Verfügung standen.
„Es war ein
normaler Mord“, eröffnete Lukas den beiden jungen Bluttrinkern, die in Arnes
Büro warteten.
Lionel nickte, erleichtert über die Einschätzung der Jäger. Danilo beugte sich
auf dem zerschrammten Kunststoffstuhl vor, dem verblassenden Orange nach ein
Relikt aus den Siebzigern. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und betrachtete
kopfschüttelnd seine zerfleddernden Turnschuhe.
„Keine der Frauen weist irgendeine Spur auf, die auf einen Angriff von
Bluttrinkern hinweisen würde. Ihnen wurden mit einem sehr scharfen Messer,
wahrscheinlich einem Skalpell, die Kehlen durchgeschnitten. Die Blutmenge, die
am Tatort gefunden wurde, entspricht der, die sie durch die Verletzung verloren
...“
Ungeduldig richtete Danilo sich auf. „Ich habe nie behauptet, jemand hätte sie
gebissen. Ich habe es dir schon gesagt: Ich habe es gespürt. Was auch immer es
war, es hatte es nicht auf die Sterblichen abgesehen, sondern auf Paolo. Paolo
Laurenzoni. Er ist zwei Jahre älter als wir. Er war in diesem Hinterhof. Dort
ist etwas geschehen, was ihm furchtbare Angst eingejagt hat. Und dann hat es
ihn umgebracht! Und glaub mir, Lukas, Paolo war nicht der Typ, der leicht Angst
bekommt. Und leicht umzubringen war er sicher auch nicht.“
„Danny, wenn es so war, warum haben wir dann nicht Paolos Leiche gefunden,
sondern diese beiden Sterblichen? Warum sollte jemand sich die Mühe machen,
Paolo wegzuschaffen und die Frauen liegen lassen? Und warum sollte er zwei
Quellen mit einem Messer aufschlitzen und sinnlos leerbluten lassen? Du musst
zugeben, das macht nicht viel Sinn.“
„Ich weiß.“
„Vielleicht hat Paolo sich ja mit der Mafia angelegt“, fantasierte Lionel. „Die
haben herausgefunden, dass er ein Bluttrinker ist und wie sie ihn umlegen
konnten. Und dann haben sie ihn weggeschafft, damit wir uns nicht an ihnen
rächen.“
„Das einzig
Interessante an dieser Theorie“, ließ sich eine tiefe, wohlklingende Stimme aus
Richtung Tür vernehmen, „ist die Frage, warum du glaubst, dieser Paolo könnte
Probleme mit der Mafia haben.“ Arne schloss die Tür und ließ sich in den
Drehstuhl hinter seinem Schreibtisch sinken.
Lionel wich kleinlaut den forschenden Augen des Jägers aus.
„Das liegt wohl daran, dass Paolo in den Ferien sein Taschengeld ein wenig
aufbessert“, übernahm Danilo zögernd das Antworten. „Er hat eine Begabung
dafür, Sterbliche aufzutreiben, die etwas für uns übrig haben.“
„Er betätigt sich als Zuhälter?“
Danilo nickte. „Er hat erst neulich damit geprahlt, irgendeinem Mafiosi aus dem
Rotlichtviertel sein bestes Pferd im Stall abspenstig gemacht zu haben. Ich hab
keine Ahnung, ob da was dran ist. Er erzählt viel, wenn die Nacht dunkel ist,
und das meiste ist erstunken und erlogen.“
„Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, dann wart ihr in dieser Bar mit
Paolo verabredet. Deshalb warst du auf ihn konzentriert, weil du dich gefragt
hast, warum er zu spät kommt. Waren die beiden Frauen für euch bestimmt?“
Unwillkürliche wich Danilo dem Blick seines Vaters aus.
„Wo hast du das Geld dafür her?“
„Ähm“, kam es verhalten von Lionel. „Also, eigentlich wollte ich ...“
Arne grunzte unbestimmt.
Die beiden hatten sich von ihrem älteren Kumpel zwei Blutwirtinnen besorgen
lassen, bei denen sie sich nicht mit der Hypnose herumschlagen mussten. Dafür
gab es nur einen Grund: Die Jungs hatten geplant, in dieser Nacht stilvoll ihre
Unschuld zu verlieren.
„Möglicherweise
ist der Bursche im Verlauf seiner Nebenbeschäftigung der Mafia auf den Schlips
getreten“, wechselte Arne das Thema. „Aber du glaubst nicht, dass es die Mafia
war, die Paolo so erschreckt hat, nicht wahr?“
„Nein“, bestätigte Danilo. „Mit diesem Mafiosi wäre der Typ klargekommen.“
Der Italiener war für seine sechzehn Jahre kräftig und kampferfahren gewesen.
Kein Sterblicher, egal mit welchem Hintergrund, wäre nahe genug an ihn
herangekommen, um ihm ernsthaft zu schaden.
„Da war noch eine
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