Lebenselixier
zu verlieren war alles, was Thomas sich noch wünschte.
28
Tony folgte Lukas
in das Treppenhaus, das ihre Penthouse-Wohnung in der Innenstadt Klarenbergs
auf direktem Wege mit einer privaten Tiefgarage verband. Die Edelstahltüren des
Lifts glitten auf.
„Komm“, Lukas winkte sie zu sich in die Kabine „Ich will dir was zeigen.“
„In der Garage?“
Von Arnes silbergrauem Volvo abgesehen gab es dort unten nicht viel. Es war
kurz nach zehn Uhr vormittags. Lukas konnte das Gebäude auf keinen Fall
verlassen.
Tony nahm irritiert ihre Jacke entgegen, die Lukas im Vorbeigehen vom
Garderobenhaken gezogen hatte. Draußen waren es bereits fünfundzwanzig Grad und
schwül. Wahrscheinlich würde es, später am Tag, heftig gewittern.
„Ich hätte dir das schon früher zeigen sollen. Es ist auch eine Art
Sicherheitsmaßnahme.“
Der Lift glitt unter verhaltenem Zischen fünf Stockwerke in die Tiefe. Lukas
fühlte Tonys missmutige Blicke. Noch mehr Dinge, die er ihr vorenthalten hatte?
„Ich dachte, es kommt dir vielleicht ein bisschen abartig vor.“
Tony schwieg, während die Kabine im Keller sanft stoppte, die Türen aufglitten
und Lukas ihr die schwere Brandschutztür zur Garage aufhielt. Vor wenigen Tagen
hätte sie ihm mit einem spöttischen Grinsen geantwortet. Jetzt verkniff sie
sich jede Reaktion und wusste zugleich, dass es kein gutes Zeichen für ihre
Beziehung darstellte. Die Leichtigkeit war irgendwie abhandengekommen.
Lukas würde sich innerhalb der nächsten paar Stunden nähren müssen, wenn er
nicht in Entzug geraten wollte. Bisher hatte ihr diese Aussicht stets Schauder
der Vorfreude bereitet. Diesmal vergrößerte der Gedanke ihr Unbehagen. Sie
befürchtete, es könnte zum ersten Mal kein wundervolles Erlebnis werden.
Lukas durchquerte
die Garage. Links von ihnen parkte, wie ein Schlachtschiff, Arnes Kombi. Rechts
führte eine steile Rampe zu einem lichtundurchlässig schließenden Rolltor.
Geradeaus gab es eine unauffällige Tür, auf die Lukas zielstrebig zusteuerte.
Bei ihrem Einzug hatte Tony nur einen flüchtigen Blick in den Abstellraum
geworfen. Die riesige Wohnung oben nahm ihrer beider Besitz problemlos auf. Sie
hatten bisher keine Verwendung für einen Keller.
Auch jetzt lagen die Metallregale leer vor ihnen. Nur die Staubschicht war ein
wenig dicker geworden und in einer Ecke hing eine Spinnwebe.
„Okay“, bemerkte Tony. „Hier müsste mal sauber gemacht werden.“
Ihr Gefährte
beachtete die verwaisten Regale nicht. Er blieb vor der Stirnseite der Kammer
stehen. Hier setzte sich die Metallverkleidung fort, die auch eine Seite der
Garage einnahm. Tony beobachtete, wie Lukas Finger über die breiten
Schattenfugen der Verschalung glitten. Was machen wir hier? , überlegte sie unwillig. Was sie wirklich tun sollten,
war, sich ernsthaft auszusprechen.
Ein deutliches Knacken ertönte und Tony wich hastig zurück, bis sie gegen ein
Regal stieß. „Autsch!“
Sie ließ ihre schützend erhobenen Arme sinken. Einen Augenblick hatte es
ausgesehen, als wollte die Verkleidung auf sie stürzen. Jetzt erkannte sie,
dass die Paneele einen Durchgang verbargen. Offenbar gab es einen versteckten
Mechanismus, den Lukas ertastet hatte.
Lukas öffnete die Tür so weit als möglich. Aus der tiefen Schwärze dahinter
strömte ihnen kühle Feuchtigkeit entgegen.
„Heiliger Strohsack!“
„Warte einen Moment.“ Lukas ging ein paar Schritte und wurde von der Finsternis
förmlich verschluckt. Die Energiesparlampe unter der Decke des Abstellraums
schien dieser Art Dunkelheit nicht gewachsen zu sein. Tony lief ein Schauder
über den Rücken, was nicht nur an der plötzlichen Kühle lag.
Kurz bevor sie ängstlich Lukas Namen rufen konnte, sah sie ein paar Meter vor
sich ein warmes, gelbes Flackern aufleuchten. Wenig später erhellte eine Fackel
den knapp anderthalb Meter breiten, mit Steinblöcken ausgekleideten Gang. Ein
einfaches Gewölbe bildete die Decke des Tunnels, dessen Ende sich in der
Dunkelheit verlor.
Lukas hielt die
Fackel hoch. „Mach das Licht aus und zieh die Tür hinter dir zu, bis sie einrastet.“
Tony tastete nach dem Lichtschalter. „Das ist nicht wahr, oder?“ Sie
schauderte, als die Neonröhre erlosch. Wie die meisten modernen Menschen, für
die allgegenwärtige elektrische Beleuchtung eine Selbstverständlichkeit
darstellte, wusste sie kaum, was Dunkelheit bedeutete. Es war unheimlich!
„Ich träume das alles nur, nicht wahr? In Wirklichkeit bin ich in der
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