Lebenselixier
damals, die mir scheißegal war. Aber ich hab mir
geschworen, das nie wieder zuzulassen. Mit dir ...“ Er schüttelte den Kopf.
Tony schluckte schwer. Was jetzt?
„Dann werden wir also niemals Kinder haben, du und ich?“
Lukas stöhnte gequält.
„Warum ist das plötzlich so wichtig? Reicht es denn nicht mehr, dass wir
zusammen sind? Ich verstehe das nicht. Vor Kurzem warst du noch total entsetzt
darüber, wie Danny gesabbert hat, als die Warlocks über diese ganzen Leute
hergefallen sind. Und jetzt möchtest du um jeden Preis mehr von unserer Sorte
in die Welt setzen? Das ist es nicht wert, dass du verletzt wirst!“
„Wir müssen ja nicht grade eine Zweitauflage von Rhen O´Toole produzieren,
weißt du.“
Lukas lachte. Es klang bitter und ein wenig hysterisch.
„Rhen ist bei weitem nicht das Schlimmste, was einem bei einem Bluttrinker
passieren kann. Du hast dich auf ihn eingeschossen, wegen dieser Sache im Kino.
Aber jede Nacht werden Menschen furchtbare Dinge angetan. Dinge, die du dir gar
nicht vorstellen willst. Und es gibt keine Garantie dafür, dass das, was wir in
die Welt setzen werden, nicht ein zweiter Ludwig Breitner oder Helmar sein
wird.“
Bei der Erwähnung der Verbrecher, die Anfang des Jahres durch die Jäger ihr
wohlverdientes Ende gefunden hatten, zuckte Tony zusammen.
„Danny ist ein guter Junge, weißt du das eigentlich? Sam und Arne haben großes
Glück mit ihm. Ich war in dem Alter ein ausgesprochener Haufen Scheiße. Hat dir
das noch nie jemand erzählt?“
Tony legte das
Gesicht in die Handflächen und gab ein schluchzendes Geräusch von sich. Lukas
hätte sie gern in den Arm genommen, sie getröstet. Aber wie sollte ausgerechnet
er sie trösten? Seine Augen wanderten zu dem Buch, das aufgeschlagen auf dem
Tisch lag. Das Monster, das da zu sehen war, das war er!
Nach einer Weile, die Lukas sehr lang vorkam, richtete Tony sich auf. Sie sah
ihn nicht an.
„Ich kann nicht mehr. Können wir bitte einfach nach Hause gehen?“
27
Thomas sah in
Walsers Augen, während das Skalpell durch die Haut seines Unterarms schnitt.
Seinen Arm konnte er nicht sehen, fühlte nur den Schmerz, das unkontrollierte
Zucken seiner Muskeln, als sein Körper instinktiv und erfolglos versuchte
auszuweichen. Er kämpfte darum, nicht zu schreien – und verlor. Galle brannte
in seiner Kehle. Dabei war die Angst noch weit schlimmer als der Schmerz.
Thomas sah Walsers Augen aufleuchten und die Andeutung eines Lächelns über das
gefurchte Gesicht huschen.
„Es ist immer
wieder faszinierend.“ Charles starrte gebannt auf die Wunde. Thomas wusste, was
der Assistent sah. Er konnte die Heilung spüren. Es hatte etwas Gespenstisches,
wie sich die Wundränder zusammenzogen, die Blutung versiegte und die Verletzung
abheilte, als würde man Zeitrafferaufnahmen betrachten.
„Besonders wenn man bedenkt, wie gering der Anteil der kannibalischen Zellen in
seinem Blut ist. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass für einen solchen
Effekt eine wesentlich höhere Konzentration notwendig wäre.“
Cross dachte keine Sekunde daran, dass ein fühlendes Wesen vor ihm lag.
Allerdings wäre es Thomas lieber gewesen, alle im Raum sähen in ihm nichts als
ein medizinisches Phänomen. Walser beachtete die heilenden Wunden kaum noch. Er
starrte in Thomas Gesicht, weidete sich gierig an seiner Reaktion.
Thomas versuchte
dem hungrigen Blick auszuweichen, doch sein Sichtfeld war begrenzt und bot
wenig, woran seine Augen sich hätten festhalten können. Er biss die Zähne
zusammen, wollte schreien, toben, an seinem Käfig rütteln.
Sie zapften ihm Blut ab, nahmen Gewebeproben, maßen Blutdruck und Hirnströme.
Aus kurzen Bemerkungen und Satzfetzen ahnte Thomas, dass er genau das war,
wonach Walser gesucht hatte: Menschlich genug, um im Tageslicht zu leben, aber
weder Alter noch Krankheit konnten ihm etwas anhaben.
Immer wieder drangsalierte er Thomas mit der Frage nach der Blutmenge, die
erforderlich war, um diesen Status zu erreichen. Dann schlug und quälte er
seinen Gefangenen, weil die Antwort ihm nicht gefiel.
Eineinhalb Liter
Vampirblut, frisch aus der Ader getrunken, waren nicht das, was Walser zum
Durchbruch im Anti-Aging-Geschäft verhelfen würde. Die Erkenntnis machte ihn
wütend und ließ Thomas Nutzen schwinden.
Sorgfältig setzte
Walser einen Schnitt neben den anderen, präzise und methodisch. Bis zu den
Schmerzen Todesangst hinzukam.
„Ein Mensch wäre längst bewusstlos“, bemerkte Charles.
Das Bewusstsein
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